Top Secret. Der Clan: Die neue Generation 1 (German Edition)
befand sich ein geprägter Aluminiumboden mit Schienen für Frachtcontainer. Die letzten Säcke wurden ausgeladen, während ein anderer Lastwagen heranfuhr. Seine Ladung war auf Paletten gestapelt worden, und die Arbeiter zogen die erste davon zur hinteren Laderampe, während Ingrid sich ins Cockpit neigte.
Ning stand hinter ihr, und was sie sah, gefiel ihr nicht. Im Cockpit roch es nach Benzin und Zigarrenrauch. Die Anzeigen schienen uralt. Einige waren gesprungen und mehr als nur ein paar waren mit Klebeband geflickt. Die Pilotensitze fielen fast auseinander und waren mit Sofakissen belegt. Hinter ihnen waren Haufen von kaputten Teilen, auseinandergefalteten Karten, Obstschalen, schimmligen Sandwiches, Zeitungen und leeren Wodkaflaschen.
»Ich bin Dimitra«, sagte die Pilotin und gab der überraschten Ning die Hand. »Sprichst du Englisch oder Russisch?«
»Englisch gut, Russisch gar nicht«, antwortete Ning.
Dimitra schien Anfang vierzig. Sie trug einen schmierigen braunen Fliegeroverall, doch obwohl die düstere Beleuchtung im Cockpit keineswegs schmeichelhaft war, vermutete Ning, dass sie in ihrer Jugend sehr schön gewesen sein musste. Maks, der Kopilot, war pummelig und hatte ein rotes Gesicht. Er trug einen Pilotenblazer mit goldenen Knöpfen und auf dem Nylonhemd darunter waren Essensreste und Brandflecken von Zigaretten.
»Vielen Dank«, sagte Dimitra, als sie den 50000-Dollar-Stapel von Ingrid entgegennahm. »Wenn wir starten, machen wir die Tür zum Cockpit zu. Im Ladebereich gibt es keine Heizung, aber es sind ein paar Decken da.«
»Wohin fliegen wir denn?«, fragte Ning.
»In die Nähe von Bischkek in Kirgistan«, antwortete Dimitra. »Das dauert ungefähr sieben Stunden.«
»Und von da aus fliegen wir direkt nach Europa?«, wollte Ingrid wissen.
Dimitra zuckte mit den Achseln. »Meine Anweisungen lauten, Sie nach Kirgistan zu bringen. Darüber hinaus weiß ich nichts.«
Ning zuckte zusammen, als hinter ihnen ein lautes Rattern erklang. Sie drehte sich um und sah, dass eine der großen Ladepaletten durch den Rumpf gerollt wurde. Die Ladung war mit Plastikstreifen an die Palette gebunden und bestand aus bunt bedruckten Schachteln mit den Markennamen bekannter Medikamente.
Während Ning und Ingrid in dem kleinen Sitzbereich die Schuhe auszogen und ihre Skianzüge anzogen, wurden noch acht weitere Paletten aufgeladen. Zwei enthielten Gewehre und Munition, eine war mit nachgemachten Fußballhemden bepackt, die man, um Platz zu sparen, luftdicht zusammengeschweißt hatte. Die letzten Paletten standen zu weit hinten, als dass sie hätten erkennen können, worum es sich handelte, aber ihnen war klar, dass sie sich den Himmel mit Waffen und Fälschungen im Wert von Millionen von Yuan teilen würden.
Nach einem letzten Wortwechsel mit dem kleinen Volksarmeeoffizier schloss Maks die Cockpittür. Die riesige Öffnung am Heck des Flugzeugs wurde zugeknallt, und Ning und Ingrid stürzten in tiefste Finsternis, einzig erleuchtet von einem flackernden Ausgangsschild über der Tür.
Sobald sie in der Luft waren, würde es kalt werden, aber am Boden war es eine warme Nacht, und Ning schwitzte. Ingrid legte ihr eine behandschuhte Hand auf den Rücken.
»Alles klar?«, fragte sie.
Ning nickte. »Geht so.«
Die Maschinen dröhnten auf volle Umdrehungszahl auf, und die Tragflächen bebten, als sie losrollten. Die Ladung klapperte und quietschte, als sie schneller wurden, bis irgendwo etwas abbrach. Der Lärm war infernalisch, und Ning klammerte sich an Ingrid fest, hielt sich mit der anderen Hand an ihrem Sitzgurt, einerseits um sich zu vergewissern, dass sie ihn angelegt hatte, andererseits um ihn möglichst schnell öffnen zu können, falls sie abstürzten und zu brennen begannen.
Es gab einen kleinen Rumms, und Ning verspürte einen Kick im Magen, als sie die Schwerkraft auf den harten Plastiksitz drückte, und dann waren sie in der Luft und stiegen rasch höher, während das altersschwache russische Flugzeug sein Fahrgestell verschluckte.
16
Nach sieben Stunden in dem klapprigen Monster war Ning erleichtert, kirgisischen Boden betreten zu können. Die Sonne ging gerade auf. Die Landebahn lag in einem Tal, und beim Anblick der Berge ringsum war sie froh, dass sie kein Fenster hatte, durch das sie die Landung hätte beobachten können.
In Dandong war nichts lange genug gleich geblieben, um alt zu werden, aber hier sah sie Verfall, wohin sie auch blickte. Jahrelanger Winterfrost hatte Spalten im
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