Top Secret. Der Clan: Die neue Generation 1 (German Edition)
Asphalt aufgerissen, ein ausgebrannter Tanklaster stand neben Flugzeugwracks ohne Tragflächen oder Motoren. Die Gebäude in der Ferne waren aus tristen Betonplatten und hatten Asbestdächer.
In China hatte die Frachtcrew aus acht Männern bestanden, die im Eiltempo arbeiteten. Hier waren es vier griesgrämige Männer, die sich mit den Händen in der Tasche umsahen und abwarteten, wer von ihnen als Erster etwas tat.
»Ich weiß nicht, wo wir hinsollen«, sagte Ning auf Englisch. »Sprecht ihr Englisch? Russisch?«
Die Männer sahen sie nur blicklos an, bis schließlich Dimitra aus dem Cockpit trat.
»Im Kreml wird jemand wissen, was aus euch wird. Gehen wir.«
Ning lud sich das Gepäck auf die Schultern, bis Ingrid sie anhielt und alles in die große Rolltasche lud, die leer war, da sie die Skianzüge immer noch trugen. Es war über ein Kilometer und das letzte Stück ging es einen Stufenpfad zu einem sechsstöckigen Gebäude hinauf.
»Die Einheimischen nennen das hier den Kreml, weil die meisten Piloten hier Russen sind«, erklärte Dimitra und stieß eine schwergängige Aluminiumtür auf.
Sie betraten einen Empfangsbereich in Avocadogrün und Beige. Auf einer Seite führte eine Treppe nach oben, auf der anderen Seite befand sich ein Wartebereich mit schäbigen Kunstledersofas und blinkenden Spielautomaten. Der Geruch nach Zigaretten und verschüttetem Bier wurde durch den durchdringenderen Gestank aus der Herrentoilette aufgepeppt.
»Werden wir nicht erwartet?«, fragte Ingrid.
Dimitra zuckte mit den Achseln. Hinter ihnen trat ihr Kopilot Maks ein.
»Wenn jemand kommt, wird er hier nach Ihnen suchen«, meinte sie. »Ich war viel zu lange in der Luft. Ich muss in mein Zimmer gehen und ein wenig schlafen.«
Während die Piloten nach oben gingen, führte Ingrid Ning in den Lounge-Bereich. Ein Mann mit einer Pistole am Gürtel war an einen Spielautomaten eingeschlafen. In einer Ecke hinter der vergitterten Bar saßen Männer mit leerem Blick und spielten Poker. Es waren sowohl Russen als auch Einheimische, die man an ihrem glatten schwarzen Haar und dem eher asiatischen Aussehen erkannte.
»Was für ein Drecksloch«, sagte Ingrid leise. »Erinnert mich an die Arbeiterclubs meines Vaters, als ich noch eine kleine Göre war.«
Ning hatte keine Ahnung, was ein Arbeiterclub war, und sie war zu müde, um nachzufragen. Im Flugzeug war es zu laut gewesen, um zu schlafen, und jetzt war sie seit über zwanzig Stunden wach.
Ingrid suchte ihnen einen ruhigen Platz weit weg von den Pokerspielern und den Spielautomaten und stellte die Stühle so auf, dass sie die Füße hochlegen konnten. Ning zog den Reißverschluss ihres Skianzugs auf und lehnte den Kopf an Ingrids stark gepolsterten Arm. Die fremde Umgebung machte sie unruhig, aber sie konnte kaum die Augen offen halten und war bald fest eingeschlafen.
Ruckartig wachte sie auf. Ihre Augen klappten wie von selbst auf und sahen die Rückseite eines Autositzes und einen christbaumförmigen Duftanhänger am Handgriff über der Tür. Sie lag flach auf dem Rücken auf der Rückbank. Die Straße war holperig und dicht an ihrem Ohr schlugen Steine innen gegen den Kotflügel.
Ihr Kopf schmerzte, und sie sah nur verschwommen, aber sie erkannte die Pistole am Gürtel des Fahrers. Es war der Mann, den sie an dem Spielautomaten im Kreml gesehen hatte. Ihre Arme waren unbequem auf den Rücken gedreht und ihre Finger taub. Als sie ihren Arm bewegen wollte, kniffen sie Metallspangen in die Handgelenke.
Das Klirren der Handschellen ließ Nings Unruhe in Angst umschlagen. Sie hob den Kopf und stellte fest, dass sie nur Socken trug. Ihr Skianzug war fort, und ihre Beine waren mit orangem Tape so fest zusammengebunden, dass es ihr ins Fleisch schnitt.
Ein junger Mann sagte etwas auf Russisch und sah über die Schulter hinweg zu Ning. Er schien etwa sechzehn, grobschlächtig und hatte Flecken in dem zerknautschten Gesicht. Im Nacken hatte ihm jemand unbeholfen ein kyrillisches Wort eintätowiert.
»Wo ist Ingrid?«, konnte Ning nur hervorbringen, doch die Muskeln in ihrem Gesicht funktionierten nicht so recht, und die Worte kamen nur undeutlich hervor. Es war ein Gefühl wie nach einem Zahnarztbesuch, wenn man eine Narkosespritze bekommen hatte, nur dass es über den ganzen Mund ging und nicht nur über eine Seite. Sie fragte sich, ob sie k.o. geschlagen oder betäubt worden war.
Der ältere Mann auf dem Fahrersitz sprach perfekt Englisch, wenn auch mit kirgisischem
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