Top Secret. Der Clan: Die neue Generation 1 (German Edition)
vor, warf die Hände mit der Schnur dazwischen über die Kopfstütze, sodass sich die Schnur um Leos Hals legte, und zog sie fest. Dann stemmte sie die Füße gegen die Sitzlehne, um möglichst viel Druck ausüben zu können.
Leos Beine zuckten, als er nach Luft rang, und er trat unwillkürlich aufs Gaspedal. Doch da er die Handbremse angezogen hatte, machte der Wagen lediglich einen großen Satz nach vorne und traf den Wagen vor ihm. Die Schnur schnitt Ning in die Handgelenke, aber sie ließ nicht locker. Hinter der Kopfstütze sah sie Leos Kopf zur Seite rollen, als die Schnur ihm die Luft abdrückte.
Während die Ampel auf Grün schaltete, stieg ein wütender Mann aus dem verbeulten Fahrzeug vor ihnen. Leo schien aufgehört zu haben, sich zu wehren, daher löste Ning die Schnur von ihren blutigen Handgelenken. Sie nahm ihren Rucksack vom Boden auf und hörte die Autos um sie herum hupen und die Spur wechseln, weil sie den Weg versperrten.
Sie machte die Tür auf und trat auf die Straße. Zwischen den fahrenden Autos gab es nur eine winzige Lücke, und sie zwang einen Taxifahrer zu einer Vollbremsung, als sie zum Bordstein lief. Auf dem Gehweg angekommen, begann sie so schnell wie möglich zu laufen.
Teil 2
36
Fünf Wochen später
Es war später Nachmittag und Ryan arbeitete seine einundachtzigste Stunde in der Müllverwertung ab. Er trug einen blauen Overall und dicke Handschuhe, mit denen er eine große Plastiktonne zu seinem neunjährigen Bruder Leon und dessen bestem Freund Banky rollte. Die beiden Rothemden hatten sich ebenfalls je dreißig Stunden in der Müllverwertung verdient, weil sie sich mit einer Ladung Feuerwerkskörper nachts aus dem Bett geschlichen hatten.
»Passt auf eure Zehen auf«, warnte Ryan sie, packte die Tonne am unteren Ende und kippte sie um.
Ein Schwall Kleidungsstücke ergoss sich auf den Boden, begleitet von einer Geruchswolke von alten Socken und Schweiß.
»Iiihh!«, beschwerte sich Banky, und Leon zog sich den Overall über die Nase.
»Im Umkleideraum sind Gesichtsmasken, wenn ihr wollt«, sagte Ryan und hielt eine dreckige Socke hoch. »Eigentlich sollen die Leute ja nur saubere Sachen in die Container werfen, aber wie ihr feststellt, funktioniert das nicht immer.
Ihr müsst das hier alles auf vier Stapel sortieren. Stapel eins: alles was sauber ist und noch in so gutem Zustand, dass man es einpacken und nach Afrika schicken kann. Alles mit einem Etikett, auf dem steht Reine Schurwolle oder Reine Baumwolle, kann recycelt werden und kommt auf den zweiten Stapel. Stapel drei: Synthetik, Mischfasern und dreckige Sachen, die man nicht recyceln kann. Das geht zur Deponie. Und als Letztes der Stapel, auf den alles kommt, auf dem ein CHERUB-Logo ist.«
»Was passiert denn damit?«, fragte Leon.
»Aus Sicherheitsgründen darf nichts mit dem CHERUB-Logo den Campus verlassen«, erklärte Ryan. »Das kommt alles in die Verbrennungsanlage.«
»Dürfen wir die auch benutzen?«, wollte Leon wissen.
»Nichts da«, erwiderte Ryan. »Einer vom Wartungspersonal verbrennt den ungefährlichen Müll jeden Mittwoch. Und die Anlage läuft vollautomatisch, ihr könnt also nur ein paar Rauchwölkchen sehen, die aus dem Schornstein auf dem Dach kommen. Noch weitere Fragen, bevor wir anfangen?«
»Ja«, antwortete Banky. »Stimmt es, dass du fünfhundert Stunden fürs Omaprügeln bekommen hast?«
Ryan lächelte. »Nein. Ich habe fünfhundert Stunden bekommen, weil ich ein nerviges kleines Rothemd windelweich geprügelt habe, das mir dumme Fragen gestellt hat.«
Banky und Leon sahen sich an und grinsten.
»Ohhh, ist mein Bruder nicht superschlau!«, strahlte Leon ironisch. »Er hat den Spieß umgedreht und uns zum Gespött gemacht.«
In pompösem Professorenton ergänzte Banky: »Exakt. Leon, alter Knabe, mich dünkt, er hat seinen Humor ganz vorzüglich eingesetzt. In der Tat ausgesprochen intelligent.«
»Also gut, ihr kleinen Klugscheißer, an die Arbeit!«, mahnte Ryan und ging fort.
»Wohin verkrümelst du dich denn?«, rief ihm Leon nach. »Wir können das hier nicht alles allein machen!«
»Ich muss noch das ganze Altglas aus den Küchen holen«, antwortete Ryan.
Als er zum Ausgang lief, spürte er, wie das Handy in seiner Tasche vibrierte. Er zog den dreckigen Handschuh aus und sah auf das Display. Er hatte zwar sein normales Telefon, aber dieses hier war ausschließlich für seine Kommunikation mit Ethan gedacht. Es zeichnete jedes Wort auf, fing jede Nachricht ab und
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