Top Secret. Der Clan: Die neue Generation 1 (German Edition)
gestern Morgen mit Officer Lucy Pogue aus Abteilung D gesprochen. Ich sollte mit der Insassin Fu Ning sprechen, doch mein Zug nach Edinburgh hatte so viel Verspätung, dass ich keinen Mietwagen mehr bekommen kann. Außerdem habe ich einen Jetlag, daher werde ich mir hier ein Zimmer nehmen und morgen so früh wie möglich kommen. Vielen Dank, auf Wiederhören.«
Die Einzelzellen waren so eingerichtet, dass ihre Bewohner nichts kaputt machen konnten. Plastikmatratze und Kissen waren in den Boden eingelassen, es gab keine Bettlaken, und Toilette, Dusche und Waschbecken waren eine einzige, aus Aluminium gepresste Form, bei der man die Wasserzufuhr mit Hilfe von schweren Pedalen regelte. Um Selbstmordversuche zu erschweren, blieb das Licht rund um die Uhr an, und man nahm den Insassen alles bis auf die Unterwäsche weg.
Es gab keinen Fernseher, keine Bücher und kein Radio, und die einzigen Geräusche, die Ning hörte, waren Schritte auf dem Gang und ein Mann zwei Zellen weiter, der komplett durchgedreht war und schrie, dass ihn die Ratten fressen würden.
Stundenlang wälzte sie sich auf einer nach Desinfektionsmittel stinkenden Matratze herum. Um drei Uhr morgens schlief sie endlich ein, nur um eine Stunde später wieder geweckt zu werden.
»Ich bin Jean Higgins«, sagte die Frau, als sich Ning aufsetzte und sich die Augen rieb. »Wir werden den ganzen Weg nach Peking über zusammenbleiben, daher hoffe ich, dass wir höflich miteinander umgehen können.«
»Von mir aus«, erklärte Ning. »Sie haben mir alles weggenommen, als sie mich hierhergebracht haben. Haben Sie meine Tasche?«
»Sie steht draußen«, nickte Jean. »Ich habe hier saubere Sachen, Shampoo, ein Handtuch und einen Bademantel. Es ist eine lange Reise, und wenn du willst, hast du noch Zeit für eine Dusche.«
Jean wartete draußen, während Ning duschte und sich saubere Sachen anzog.
»Man hat mir gesagt, du seist eine ganz Wilde«, bemerkte Jean, als sie zusammen zum Hauptgebäude gingen. »Du kommst mir gar nicht so wild vor, trotzdem muss ich dir Handschellen anlegen, bis wir im Flugzeug sitzen.«
Schweigend unterzog Ning sich den Formalitäten im Administrationsbereich des Auffanglagers. Sie unterschrieb ein Formular, das bestätigte, dass sie ihre persönlichen Sachen zurückbekommen hatte, und ein weiteres, mit dem sie die Entscheidung der Einwanderungsbehörde akzeptierte. Die Regierung hatte keinen Grund, ihre achtzehntausend Dollar zu beschlagnahmen, daher bekam sie einen Umschlag mit einer Cashpoint-Karte, einer Pin-Nummer und einem Brief, der mit »Danke, dass Sie Ihr Konto bei uns eröffnet haben« begann.
Jean legte ihr die Plastikhandschellen an, ließ sie aber so locker, dass Ning sich daraus hätte befreien können, wenn sie gewollt hätte. Aber sie hatte den Willen, zu kämpfen oder davonzulaufen, verloren. Ihre ganze Flucht nach Großbritannien kam ihr auf einmal kindisch vor, und auch wenn sie nicht den Wunsch verspürte, sich umzubringen, schien ihr auch die Aussicht, weiterzuleben, nicht sehr verlockend.
Jean brachte sie zu einem leeren Besucherparkplatz. Der Himmel war schwarz, und die Flutlichter, die den Zaun um das Auffanglager beleuchteten, verbreiteten einen gespenstisch blauen Schein.
»Wie lange wird es denn dauern?«, fragte Ning, als sie zu einem Ford Focus kamen.
»Unser Flug nach Peking geht um sieben Uhr fünfzig und die Flugzeit beträgt insgesamt ungefähr dreizehn Stunden.«
Jean schloss die Zentralverriegelung auf und öffnete die Fahrertür.
»Und was passiert, wenn ich in China angekommen bin?«, fragte Ning beim Einsteigen.
»Jemand von der chinesischen Einwanderungsbehörde wird uns in Peking erwarten. Ich übergebe dich an ihn und danach sind sie für dich verantwortlich.«
39
Amys Fahrt war extrem unbequem gewesen, dafür gönnte sie sich ein Zimmer in einem Balmoral-Fünf-Sterne-Hotel neben dem Bahnhof und acht Stunden Schlaf in einem riesigen Bett mit Kaschmirdecken. Da sie um zehn Uhr im Auffanglager Kirkcaldy sein wollte, bestellte sie sich Frühstück für halb acht aufs Zimmer und saß gerade mit einer Portion Porridge und schwarzem Kaffee im Bett, als ihr Handy klingelte.
»Amy, hier ist Lucy Pogue aus Kirkcaldy. Ich habe Ihre Nachricht erhalten, aber leider sind gestern die Unterlagen zu Nings Abschiebung gekommen. Sie wurde heute Morgen um kurz nach vier Uhr aus dem Auffanglager entlassen.«
Amy erstickte beinahe.
»Wie konnte das passieren?«, stieß sie hervor. »Ich bin extra
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