Top Secret - Der Verdacht
der Innenstadt auffallen würde.
Den ganzen Tag lang hatte er sich gefragt, wie er am besten an ein Telefon kam. Er hatte sich überlegt, in eine leere Wohnung in einem wohlhabenderen Viertel einzubrechen, aber die waren in der Regel gut von der Polizei bewacht. Außerdem waren Festnetzanschlüsse rar, und das Handy nahmen die Leute meist mit, wenn sie das Haus verließen.
Er dachte daran, einfach auf jemanden zuzugehen und ihn zu fragen, ob er kurz mit seinem Handy telefonieren dürfe, doch dazu müsste er sich an einem öffentlichen Ort zeigen, und in einer armen Stadt mit hoher Verbrechensrate waren die Chancen gering, dass jemand sein Handy einem kräftigen Teenager lieh, der aussah, als hätte er die Nacht im Freien verbracht.
James stellte fest, dass er wohl jemanden überfallen musste. Das würde nicht schön sein für sein Opfer, aber verglichen mit dem, was ihm blühte, wenn Obidins Männer ihn fassten, war es Kinderkram.
Als belebt konnte man die grauen Straßen von Aero City bestimmt nicht bezeichnen, aber in der Innenstadt gab es ein paar Straßenzüge, in denen die Leute, die sich ein Handy leisten konnten, einkaufen und essen gingen und sich im einzigen Nachtclub der Stadt vergnügten. Allerdings gehörten diese Läden zum größten Teil der Familie von Denis Obidin und waren regelrecht mit Polizisten gespickt.
Daher beschloss James, sich sein Opfer lieber beim Supermarkt der Stadt zu suchen. Der Metallkoloss war eines der wenigen Dinge, die in den letzten zehn Jahren in Aero City gebaut worden waren. James war ein paarmal mit Boris und Isla dort gewesen und wusste, dass man in dem Laden vom Trainingsanzug aus China bis zu Konservendosen und billigen Elektrogeräten alles bekam.
Es gab einen großen Parkplatz, doch nur wenige Leute hatten ein Auto, und die meisten schleiften ihre Einkäufe in Taschen oder Rollwagen mehrere Kilometer durch den Schnee. James setzte sich am Rand des Parkplatzes auf ein niedriges Mäuerchen und beobachtete den Eingang. Er brauchte einen Kunden, der allein war und reich genug aussah, um ein Handy zu besitzen. Gleichzeitig achtete er darauf, nicht die Aufmerksamkeit einer bedrohlich wirkenden Jungengang auf sich zu ziehen, die auf einer leeren Fläche des Parkplatzes Skateboard fuhr.
James selbst war kein begnadeter Skateboardfahrer. Die wenigen Male, die er es versucht hatte, hatte er sich zum Narren gemacht, und er war beeindruckt von dem, was die Jungs auf ihren Boards zeigten, zumal sie auf Schnee und Eis fuhren und keinen anderen Schutz als ihre Kapuzenpullover hatten.
Nach unzähligen Rentnern und gestressten Kinderwagenschiebern sah James eine junge Frau mit einer riesigen Tasche voller Kopfkissen aus der Automatiktür treten. Sie schien etwa neunzehn zu sein und trug enge Jeans, schwarze Lederstiefel und eine Pelzmütze. Aber es war keine dieser Billig-Pelzmützen, wie alle alten Mütterchen sie hier trugen, und die braune Ledertasche stammte offensichtlich aus einer schicken Moskauer Boutique. Es war genau die Art von Tasche, in der sich ein Handy befand.
Erleichtert, dass sie nicht auf ein Auto zusteuerte, wartete James, bis die Frau auf der unbeleuchteten Straße neben dem Supermarkt war. Dann stand er auf, um ihr zu folgen.
»Vorsicht, Arschloch!«, rief einer der Skateboarder, als James ihn fast über den Haufen rannte. Er hatte sich ganz auf die Frau konzentriert und das Skateboard gar nicht kommen hören.
Während der erste Boarder noch versuchte, nach einem scharfen Ausweichmanöver das Gleichgewicht zu halten, sprang ein zweiter von seinem Board, zog ein Klappmesser aus der Tasche und hielt es James unter die Nase.
»Willst du Ärger?«, fragte er grinsend.
Er war kleiner als James, doch mit dem Messer in der Hand und seinen Kumpels im Rücken fühlte er sich stark.
James trat zurück und hob die Hände. »Entschuldigung.«
Er beließ es bei diesem einen Wort, denn vielleicht hatten die Kids gehört, dass die Polizei einen englischen Jungen suchte, und sein Akzent war verräterisch.
Der Junge, der ihm ausgewichen war, war etwa siebzehn oder achtzehn und kam jetzt zu James zurückgefahren, kickte sein Board in die Hand und stolzierte auf ihn zu.
»Das hier ist unser Platz, Wichser «, erklärte er mit geschwellter Brust und ballte die Fäuste.
»Entschuldigung«, sagte James erneut, während er sich weiter zurückzog und den Kopf wandte, um zu sehen, ob sein Opfer noch in Sichtweite war.
Die Skateboarder lachten, als er zurückwich.
»Der
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