Top Secret - Der Verdacht
sag mir die Nummer.«
»Zwei, sechs, eins, zwei, sieben, eins.«
Lauren schüttelte den Kopf. »Nein, das funktioniert nicht, das ist nur die Teilnehmernummer. Du brauchst noch die Vorwahl und die Landesvorwahl für Russland.«
»Wie bitte?«
»Zusätzliche Nummern.«
»Woher denn?«
»Ich kann die Nummern von der Vermittlung bekommen, wenn du den Ort weißt, in dem du anrufen willst.«
Anna schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Ich bin ja so dumm!«, stieß sie hervor. »Ich habe es schon mal von der Telefonzelle neben der Schule aus probiert. Deshalb hat es nicht funktioniert!«
Lauren brauchte ein paar Minuten, bis sie die Vermittlung angerufen, die richtige Vorwahl von Nischni Nowgorod erfragt und die Nummer gewählt hatte.
»Es klingelt«, sagte sie dann und reichte Anna das Telefon.
»Hallo?«, fragte Anna mit verstellter, tiefer Stimme.
*
Einen halben Kilometer weiter saß John Jones in seiner Pension. Er belauschte Annas Gespräch über einen Laptop, der vor ihm auf dem Bett stand. Der Computer war mit dem Campus verbunden und durchforstete bereits das russische Telefonbuch nach der Adresse des von Anna gewählten Anschlusses.
»Wer ist da?«, fragte eine Frau.
»Ich heiße Yasha«, sagte Anna. »Ich bin eine Schulfreundin von Polya. Kann ich sie bitte sprechen?«
»Polya ist nicht mehr hier«, antwortete die Frau kurz angebunden.
»Oh«, machte Anna plötzlich mit ihrer normalen Stimme. »Sie hat mir ein Buch geliehen. Können Sie mir sagen, wo sie ist?«
»Das weiß ich nicht«, gab die Frau knapp zurück. »Ich bin keine Sekretärin.«
Auf John Jones Laptop tauchte in kyrillischen Buchstaben eine Adresse auf.
Heim für Minderjährige 7
Kommunalverwaltung
Hauptplatz
Nischni Nowgorod
Russland
»Sie hat mir ein Buch geliehen«, beharrte Anna. »Ich würde es ihr gerne wiedergeben.«
Die Frau machte ein Geräusch wie eine knarrende Tür und ließ ein wissendes Lachen folgen. »Anna«, sagte sie verschlagen, »ich dachte, ich hätte dich zum letzten Mal gesehen.«
Die Verbindung wurde abrupt unterbrochen.
*
Anna wurde kreidebleich, als sie das Telefon zuschnappen ließ.
»Meine Freundin ist weg«, flüsterte sie erstickt. »Ich hatte gehofft, von ihr etwas über Georgy zu erfahren, aber ich schätze, sie haben sie auch weggeschickt.«
»Wenn es ein Kinderheim ist, werden sie sich doch um ihn kümmern, oder nicht?«
»Georgy ist niedlich«, stellte Anna sachlich fest. »Nicht viele Menschen wollen Kinder in meinem Alter adoptieren, aber jetzt bin ich ja aus dem Weg, und da wird er bestimmt schnell vermittelt. Ich werde ihn niemals wiedersehen.«
Anna liefen die Tränen übers Gesicht, und Lauren legte ihr den Arm um die Schulter.
»Sie dürfen mich nicht dorthin zurückschicken«, schluchzte Anna. »Also erzähl nichts davon, ja?«
*
Es war dunkel und eiskalt, als James nach seiner letzten Schulstunde zum Trainingsgelände loszog. Bruce holte ihn ein und schlug ihm auf den Rücken.
»Wie geht’s deiner Lippe?«, erkundigte er sich.
»Nicht schlecht«, erklärte James, »ist nur ein bisschen dick.«
»Stuart Russel hockt mit mir im Holz-Workshop«, erzählte Bruce grinsend. »Ich habe mir einen Meißel geschnappt, bin zu ihm hin und habe ihn gefragt: Hast du ein Problem mit mir, Sonnenscheinchen? Er ist kreideweiß geworden. Ich schwöre dir, er sah aus, als würde er sich gleich in die Hose machen.«
»Ist Stuart ein harter Brocken?«, erkundigte sich James. »Er hat ziemlich selbstbewusst getan.«
Bruce schüttelte den Kopf. »Der hat nur ’ne große Klappe. Lauren könnte den wahrscheinlich in die Tasche stecken.«
James lachte. »Lauren könnte wahrscheinlich mich in die Tasche stecken. Sie ist zwar klein, aber versuch mal, sie festzuhalten.«
»Egal«, sagte Bruce, »jetzt hör auf zu lachen, wir haben einen Job zu erledigen.«
Kevin wartete schon, als sie die hölzernen Höhenhindernisse erreichten, eingepackt in eine dicke Jacke, Handschuhe und Wollmütze.
»Du hältst dich wohl für besonders schlau, was?«, fragte Bruce, schnappte Kevin am Kragen und drückte ihn gegen einen Holzpfosten. »Steckst deinem Cousin das mit uns. Versuchst, uns Ärger zu machen.«
»Ich habe doch nur so erzählt«, quiekte Kevin. »Ich wusste nicht, dass er euch anmachen würde …«
»Noch so eine Aktion, und ich suche die dreckigste Toilette auf dem Campus aus, um deinen Kopf reinzustecken, kapiert?«
»Ja, Sir«, antwortete Kevin gehorsam.
»Wir haben gestern Abend
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