Top Secret - Der Verdacht
Toilette ging, sich anzog und eine Portion Instant-Porridge in die Mikrowelle schob. Die ganze Zeit hoffte er, dass Kevin anrief, damit er wieder ins Bett gehen konnte, anstatt hinaus in die Kälte.
Als der Anruf nicht kam, zog er eine warme grüne CHERUB -Skijacke, dicke Handschuhe und eine Mütze mit Ohrenklappen an. Schlecht gelaunt joggte er durch die frische Morgenluft, wohl wissend, dass er sich sofort wieder ins Bett hätte kuscheln können, wenn Kevin das Juniorgebäude nicht so lächerlich früh verlassen hätte.
Er brauchte zwölf Minuten bis zum Höhenparcours, aber von Kevin keine Spur. James nahm an, dass ihm die Kälte auf die Blase geschlagen war und er zum Pinkeln zwischen den Bäumen verschwunden war.
»Hey!«, rief James. »Kev, bist du da?«
»Hie-hier!«, rief Kevin von irgendwo weit über ihm.
James blickte himmelwärts und entdeckte zu seinem Schrecken Kevins Silhouette vor der aufgehenden Sonne. Er war über die Metallstangen zur zweiten Plattform gekrabbelt.
»Was zum Teufel machst du da?«, schrie James.
»Nach was zum Teufel sieht es denn aus?«, schrie Kevin zurück.
»Rühr dich nicht vom Fleck, du Irrer. Es ist viel zu vereist!«
»Über die Stangen war es ganz schön schwierig.« Kevin grinste.
James sah, dass das Seil, an dem er gestern hinabgeklettert war, noch von der Plattform hing und forderte Kevin auf: »Komm am Seil herunter. Im Ernst, es ist nicht sicher da oben!«
»Es gibt doch Netze«, erwiderte Kevin und begann, zur dritten Plattform zu laufen. Das hieß: Er musste über eine Reihe von Holzplanken laufen und über Lücken dazwischen springen. »Vielleicht breche ich mir ein paar Knochen. Na und? Was interessiert dich das, du Tyrann?«
»Komm sofort runter!«, brüllte James. »Das ist ein Befehl!«
James konnte gar nicht hinsehen, als Kevin über eine eineinhalb Meter breite Lücke zwischen den Enden zweier Planken sprang.
»Wenn du mich haben willst, musst du schon kommen und mich holen!«
James dachte an Bruces Schreie vergangene Nacht in der Krankenstation und an den Anblick seines schrecklich verdrehten Beins. Es hatte James furchtbar erschreckt, aber auf Kevin hatte es offenbar genau die gegenteilige Wirkung gehabt.
James überlegte, unten auf dem Boden zu bleiben, aber er machte sich Sorgen, dass Kevin Angst bekommen oder ausrutschen könnte und Hilfe bräuchte. Also begann er zögernd, über das Netz zu klettern, bis er das baumelnde Rettungsseil erreichte.
Als er oben an der Plattform ankam, hatte Kevin bereits mehrere Sprünge gemacht und befand sich dreißig Meter vor ihm. Entsetzt stellte James fest, dass die Planken mit Frost und Eis überzogen waren, unterbrochen nur von Kevins Stiefelabdrücken.
James gefiel das überhaupt nicht, aber jetzt war er schon so weit gekommen. Die ersten beiden Sprünge gelangen problemlos, aber die dritte Planke stand leicht schräg, und sein Stiefel rutschte bei der Landung gefährlich weg. Mit mehr Glück als Können schaffte James es, auf der Planke zu bleiben, indem er sich an einem überhängenden Zweig festhielt und seinen rutschenden Fuß mit dem Oberkörper ausbalancierte. James war bereits auf so vielen Missionen gewesen, dass es nicht der schrecklichste Augenblick seines Lebens war, aber er kam den Spitzenreitern dieser Liste ziemlich nahe.
»Vorsicht, Alter!«, spottete Kevin, der eine quadratische Plattform erreicht hatte.
James dampfte über das nächste Brett und erreichte mit einem einfachen Sprung die Plattform. Streng fragte er: »Was soll das, du kleiner Irrer? Das ist hier oben glatt wie auf einer Eisbahn!«
»Ich will ein graues T-Shirt!«, schrie Kevin. »Ich will die Grundausbildung schaffen und ein Agent werden, mehr als alles andere auf der Welt will ich das!«
James bückte sich und tastete unter der Plattform nach einem Notabstiegsseil. Er war erleichtert, als er eines fand. Sein Ausrutscher ließ ihn noch so zittern, dass er es nicht schaffte, in seine Ich-bin-der-fiese-Trainer-Rolle zu schlüpfen.
»Wir können morgen wiederkommen, Kev. Es ist ja schön, dass du so schnell so zuversichtlich geworden bist, aber …«
»Ich ziehe das jetzt durch«, fiel Kevin ihm ins Wort und deutete auf den letzten Teil des Parcours.
Als James vor drei Jahren zum ersten Mal über die Höhenhindernisse gelaufen war, hatte ein Sprung aus großer Höhe auf eine Gummimatte den Abschluss gebildet. Doch der Baum, der die letzte Plattform getragen hatte, war morsch geworden, und Mr Large hatte die
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