TOP SECRET - Die Sekte
eine Landebahn hinab, die gut und gerne Jumbos aufnehmen konnte. Neben dem Tower befand sich ein zweigeschossiges Terminal mit einer Leuchtschrift über der Glasfassade: Willkommen auf dem Joel Regan International Airport . Der Flughafen war in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts gebaut worden, als Regan geplant hatte, die Arche zu einer gewinnbringenden Touristenattraktion zu machen, mit Tausenden Hotelzimmern, Golfplätzen und einem Themenpark im Disneyland-Stil.
Später änderte er jedoch seine Meinung und erklärte, die Arche sei ein heiliger Ort, an dem die Teufel keinen
Zutritt hätten. Regans Kritiker behaupteten, dass er damit lediglich die Tatsache überspielen wollte, dass nur wenige Touristen ihren Urlaub als Gäste einer religiösen Sekte mitten in der bedrückenden Hitze des australischen Outback verbringen mochten.
Konsequenz von Regans fehlgeschlagenem Vorhaben war, dass James, Lauren und die anderen Passagiere einen weiten Fußmarsch vom Flugzeug zur Arche selbst vor sich hatten. Er führte sie durch mehrere Hundert Meter gespenstisch leerer Gänge in eine stille Ankunftshalle, in der die meisten Glühbirnen durchgebrannt waren und die staubbedeckten Gepäckbänder sich seit einem Jahrzehnt nicht mehr gedreht hatten. Endlich entkamen sie dem Gebäude und gingen eine breite Rampe entlang, die zur Arche selbst führte.
James und Lauren wussten nicht, wo sie hingehen sollten, daher liefen sie einfach den vier anderen Passagieren nach. Als sie durch ein stahlverstärktes Eingangstor in einem der sechs Türme traten, verneigten sich ihre Mitreisenden ehrerbietig vor einer dürren Frau mit glatten dunklen Haaren. James und Lauren hatten Fotos von ihr gesehen und erkannten Joel Regans älteste Tochter Eleanor, die man auch die Spinne nannte.
Als die Spinne vortrat, um sich vorzustellen, dachte James bei sich, dass der Spitzname ausgesprochen treffend war. Sie trug ein enges schwarzes Polohemd und hatte Finger, so lang und schlank wie Bleistifte. Eigentlich hätte ihre Stimme ein hexenhaftes Gackern sein
müssen, doch sie sprach mit einem Lächeln und einem normalen australischen Akzent.
»Hallo«, sagte sie. »Ihr müsst James und Lauren sein. Gratuliere zum Aufstieg in die Arche.«
Die Kinder lächelten ebenfalls und schüttelten der Spinne die Hand. Sie führte sie durch den Turm auf einen breiten Weg. Innerhalb ihrer Umgrenzungsmauern verfügte die Arche über sechs Straßen mit Gehwegen, die von den Ecktürmen zu einem riesigen Platz in der Mitte führten, wo die Heilige Kirche der Survivors mit ihrer riesigen Kuppel und den drei goldenen Kirchtürmen stand.
So beeindruckend die Kirche war, so erstaunlich gewöhnlich waren die übrigen Gebäude. Sie waren meist ein oder zwei Stockwerke hoch und im einfachsten Fertigbaustil errichtet, mit Wellblechdächern und weißen Plastikfenstern. Es wirkte billig. James hatte das Gefühl, als seien sie im schicksten Restaurant der Stadt angekommen und fänden Big Macs und Fritten auf der Speisekarte.
25
»Auf, auf, aufstehen!«, rief ein großer Klotz von Frau namens Georgie, als sie in James’ Schlafzimmer platzte.
Das Zimmer war besser als die provisorischen Schlafgelegenheiten im Einkaufszentrum. Es gab acht Betten
mit Metallgestellen, eigene Schränke sowie abgetrennte Duschen und eine Waschküche am Ende des Zimmers.
Schlaftrunken rollte sich James aus dem Bett. Er war um ein Uhr nachts angekommen und hatte sich ausgezogen, ohne die anderen sieben Zimmerbewohner zu wecken. Diese Jungen zogen sich jetzt eine Uniform an, die nach Sportmontur aussah: weißes Rugbyhemd, blaue Shorts und blaue Fußballsocken. James brauchte länger als die anderen, weil er sich erst neue Sachen aus seinem Schrank heraussuchen und jede Menge Plastikverpackung, Zettel und Aufkleber entfernen musste.
Nach dem Anziehen stellte sich James in einer Reihe an, um das einzige Klo oder das Urinal zu benutzen. Er war der Letzte, und obwohl er das Händewaschen ausließ, kam er nicht rechtzeitig aus der Toilette, um zu sehen, wo die anderen hingegangen waren.
Georgie trat aus einem anderen Schlafzimmer und verdrehte die Augen, als könne sie kaum glauben, was sie sah. »Was zum Teufel tust du noch hier?«, brüllte sie ihn an.
»Ich habe keinen Stundenplan«, erklärte James. »Ich weiß nicht, wo ich hinmuss.«
»Alle Schüler haben denselben Stundenplan«, polterte sie und übersprühte James mit Spucke. »Folge einfach den anderen.«
»Aber die sind schon
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