Topas
von uns erwartet wird, aus
selbstsüchtigen Gründen. Wie viele Frauen lieben ihren
Mann um der Freude willen, die sie ihm schenken? Doch nur im
Schenken dieser Freude kann eine Frau wirklich erfahren, was es
bedeutet, eine Frau zu sein. Ich habe es nie gewußt, Michele:
Eine Frau sein bedeutet Geben. Und das hast du von Anfang an
gewußt.«
Michele vergrub ihr
Gesicht im Kopfkissen.
»Weine nicht und
versink nicht in Selbstmitleid. Du hast gewußt, daß du
mit einem Mann wie Francois kein leichtes Schicksal haben
würdest.«
»Mama …
ist es zu spät für dich und Papa?«
»Ja, ich
fürchte.«
Die Augenlider des
Mädchens flatterten - und schlössen sich bald, weil das
Beruhigungsmittel zu wirken begann. Nicole beugte sich über
Michele und küßte sie auf die Wange. Sie hätte gern
gewußt, ob Andre ihr Gespräch durch die offene
Schlafzimmertür gehört hatte.
»Wir bringen sie
schon darüber hinweg«, sagte sie, als sie zu ihm
hinausging.
Andre blickte seine
Frau lange an, und das alte, starke, niemals ganz erloschene
Gefühl für sie kehrte zurück. Am liebsten hätte
er die Hand ausgestreckt und die wenigen grauen Strähnen an
ihren Schläfen berührt. Vor gar nicht langer Zeit
hätten diese Zeichen des Alterns sie noch krank gemacht. Jetzt
schienen sie am rechten Platz und waren zauberhaft. Wie nett,
daß Nicole ihr Alter so anmutig hinnahm, ohne Panik und ohne
Selbstmitleid.
Ja, er begehrte sie,
aber er wußte auch, daß er am anderen Morgen Juanita de
Cordoba nur um so mehr begehren würde. Dann lieber keine von
beiden.
»Fahrt ihr schon
bald nach Montrichard zurück?«
»Morgen. Ich
werde dafür sorgen, daß Michele dich besucht, wenn du
Zeit für sie hast.«
»Ich danke dir
für alles.« Er wandte sich um und ging in sein
Arbeitszimmer.
»Kann ich noch
irgend etwas für dich tun?« fragte sie.
»Nein.« Er
betrat sein Zimmer, setzte sich an den Schreibtisch und rückte
die Brille zurecht. Dann sah er noch einmal zu Nicole auf, und sie
starrten sich durch die offene Tür eine ganze Weile an. Ihr
wurde klar, daß sie zu spät gekommen war und vielleicht
mit zu wenig. Ihr Mann gehörte Juanita de Cordoba.
Merkwürdigerweise empfand sie keinen Haß. Sie
wußte aber auch, daß es nie einen anderen Mann für
sie geben werde als Andre Devereaux - und sie würde
warten.
90
Als Rico Parras'
Chauffeur mit dem Wagen auf das Grundstück der Casa de
Revolution einbog, um Juanita zu seinem Chef
zu bringen, hatte sie das dumpfe Gefühl, daß irgend
etwas nicht stimmte. Aber dieser Ort hatte ohnehin stets etwas
Unangenehmes an sich. Sie fuhren die lange, von Palmen
gesäumte schmutzige Straße entlang, die sich dicht an
der Bahia del Sol hinzog. Es war ungewöhnlich still ohne die
übliche Geschäftigkeit der Wachtposten und
Gartenarbeiter; auch an der Mole arbeitete niemand. Juanita stieg
aus und sah sich um. Ricos Schnellboot schaukelte an der Ankerboje.
Vom Meer zog eine düstere Wolkenwand heran und erstickte die
Sonne. Es würde ein langes, kaltes und schauerliches
Wochenende werden.
Der Chauffeur folgte
ihr in die Villa.
Als sie Ricos
Leibwächter Hernandez erblickte, schrie Juanita auf. Er lag
auf dem Rücken und starrte sie aus gebrochenen Augen an. Noch
immer sickerte Blut aus den Schußwunden in Bauch und
Brust.
Die Tür schlug
krachend hinter ihnen zu, und zwei G-2-Männer packten Juanita;
zwei andere entwaffneten Ricos Fahrer und hielten ihn mit Pistolen
in Schach.
Der Raum war ein
einziger Scherbenhaufen.
Aus dem Schlafzimmer
kam Munoz; er hielt eine nasse Peitsche in der Hand. Juanita wankte
unter dem Eindruck dieser Schreckensszene, doch dann begriff sie,
was vorgefallen war, und nahm sich zusammen. Sie riß sich los
und ging ins Schlafzimmer hinüber. Munoz trat mit einer
spöttischen Verbeugung zur Seite.
Rico hing, mit
Lederriemen an den Handgelenken festgebunden, an zwei Deckenbalken.
Nach dem Zustand von Munoz' Leuten zu schließen, war es nicht
leicht gewesen, ihn lebend zu überwältigen.
Sie hatten ihm die
Arme wie einem Gekreuzigten an der Decke festgebunden, doch er war
immer noch imstande gewesen, einen kräftigen Tritt zwischen
Munoz' Beine zu landen, woraufhin sie ihm die Füße
gefesselt und ihn so hoch gezogen hatten, daß er nur eben den
Boden berührte. Selbst dann war es ihm noch gelungen, Munoz
kräftig anzuspucken, mit dem Erfolg, daß sie ihm einen
Knebel in den Mund steckten.
Munoz hatte Rico
fürchterlich zugerichtet. Das nasse Seil der Peitsche hatte
ihm
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