Topas
ZWEI WOCHEN. ANKOMME ORLY HEUTE
ACHTZEHN UHR PAN-AMERICAN. HABE NEUE INFORMATIONSQUELLE AUF KUBA
VON BESONDEREM INTERESSE FÜR SIE. ERBITTE ABHOLUNG FALLS
MÖGLICH. MICHAEL NORDSTROM.
Andre ließ sich
von einem Assistenten zum Flughafen bringen. Unterwegs arbeitete er
sich durch einen Stoß Tageszeitungen.
Die Blätter
richteten ihr Hauptaugenmerk auf eine Massenkundgebung mit
Militärparade in Havanna. Castro hatte Miliz und Truppen aus
ganz Kuba zusammengezogen und stellte seine aus sowjetischem Besitz
stammenden Kanonen und Flugzeuge zur Schau. Nach der Parade fand
eine Kundgebung unter dem Denkmal des Freiheitshelden Marti statt.
Castro ließ sich zu einer jener Ansprachen hinreißen,
die man heute in der ganzen Welt kennt. Er warf sich mächtig
in die Brust, und seine Empörung gipfelte in dem Schwur, Kuba
werde sich niemals einer einseitigen, ohne seine Zustimmung
getroffenen Vereinbarung zwischen Amerikanern und Russen beugen. Er
schwor ferner, das Land bis zum letzten Mann zu verteidigen, und
erhob erneut die Forderung, die Amerikaner sollten den
Militärstützpunkt Guantanamo räumen.
Den heftigsten Teil
der Rede hatte er gegen den »Verrat« der Organisation
Amerikanischer Staaten gerichtet. Castro schwor, er werde in ganz
Lateinamerika das Feuer der Revolution entfachen. »In diesem
Augenblick«, rief er, »befindet sich unser geliebtester
und vertrauenswürdigster compadre und Leutnant der
Revolution Rico Parra in geheimer Mission auf einer der Karibischen
Inseln.«
Die anwesenden
Journalisten hatten über Parras Abwesenheit allerhand
Vermutungen angestellt, zumal eine weitere führende
Persönlichkeit Kubas fehlte. Nicht teilgenommen an der
Demonstration hat Rico Parras ständige Begleiterin ]uanita de
Cordoba, bekannt in ganz Kuba unter dem Namen »Das
Täubchen«.
*
Michael Nordstrom
erledigte die Zollformalitäten und sagte mit verbissenem
Gesicht zu Andre: »Kommen Sie, fahren wir erst mal nach Paris
hinein.«
»Nein«,
erwiderte Andre entschlossen. »Ich will es gleich hören.
Ich habe hier am Flughafen ein Büro
gemietet.«
Mike zauderte. Er
schien keine große Lust zu verspüren und kam sich
offenbar übertölpelt vor - unablässig hatte er sich
auf dem Flug zurechtgelegt, was er sagen wollte.
»Ich weiß,
daß ich mich auf das Schlimmste gefaßt machen
muß«, begann Andre übergangslos.
»Ja.«
»Vor zwei
Nächten war mir, als schreie sie in schrecklicher Qual nach
mir. Seit ich aus Kuba zurück bin, habe ich nie mehr viel
geschlafen, aber in der vergangenen Nacht konnte ich überhaupt
kein Auge zutun - als ob ich Ihr Telegramm vorausgeahnt und darauf
gewartet hätte.«
»Also in Gottes
Namen«, sagte Nordstrom, »bringen wir die Sache hinter
uns.«
Mike saß auf
einer Ecke des Schreibtisches, der in dem kleinen Büro stand,
rieb sich das Gesicht und seufzte wiederholt. Andre schloß
die Tür,
um das Geheul der Jets und das hallende Echo auf den
Marmorböden auszusperren. Dann nahm er auf dem einzigen
vorhandenen Stuhl Platz und sah Mike erwartungsvoll an.
»Kennen Sie
die Casa de
Revolution?« fragte Nordstrom.
»Ja. An der
Bahia del Sol. Gehörte früher mal der Familie Fuentes.
Sie erinnern sich vielleicht an Pedro Fuentes. Er war einer der
besten Baseballspieler, die Kuba je hervorgebracht hat. Durch ihn
wurde mir Kuba zum erstenmal ein Begriff. Rico Parra hat der
Familie das Haus weggenommen.«
»Andre«,
brachte Mike schließlich heraus, »Sie wissen nicht, wie
grausig die Geschichte ausgegangen ist.«
»Menschenskind,
Mike, ich weiß, daß Juanita und Parra zusammengelebt
und wohl kaum Ringelreihen miteinander gespielt haben. Nun reden
Sie schon!«
»Munoz bekam den
Auftrag, mit Parra abzurechnen, weil Parra Sie aus Kuba
herausgelassen hatte. Außerdem sollte er Juanita zum Reden
bringen Sie wissen, wer Munoz ist - ein Mordgeselle, der kein
Erbarmen kennt. Die Casa wurde zum Gefängnis für
Parra und Juanita.«
Mike berichtete knapp,
was vorgefallen war. Andre war einem Zusammenbruch nahe, er vernahm
die Worte nur noch wie im Traum.
»Einer der
G-2-Leute namens Jesus Zapata lehnte sich gegen Munoz'
Unmenschlichkeit auf und nahm in Havanna Kontakt mit uns auf, weil
er der Ansicht war, diese Geschichte dürfe nicht vertuscht
werden. Kennen Sie einen gewissen Karel Vasek?«
»Habe den Namen
schon einmal gehört, kann mich aber nicht
erinnern.«
»Vasek ist ein
tschechischer Ingenieur und seit über einem Jahr in Kuba an
einem Brückenbau tätig. Vor etwa einem halben
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