Topas
Mobilisierung militärischer
Macht war ohne großes Aufsehen vonstatten gegangen. Der
gestaffelte Aufmarsch verlieh den Worten des jungen
Präsidenten, der nun zu einer bis ins Mark erschrockenen Welt
sprach, den nötigen Rückhalt.
*
In der sowjetischen
Botschaft saßen alle starr und erschüttert da, nachdem
der Präsident seine Rede beendet hatte. Selbst Wassilij Leonow
verließ sein in vielen Jahren erworbener
Gleichmut.
Er wußte, er
hatte den alten Fehler begangen. Der Bluff des Genossen
Chruschtschow war durchschaut. Der amerikanische Präsident
hatte nicht nur die Legende seiner Zaghaftigkeit zerstört,
sondern zugleich einen klugen Entschluß gefaßt. Er
hatte seine stärkste Seite, die Marine, gegen Rußlands
schwächste, die Marine, eingesetzt. Geschickt hatte er ein
Schlachtfeld gewählt, das ihm alle Vorteile bot - ein Treffen
auf hoher See.
*
Die Organisation
Amerikanischer Staaten trat unverzüglich und einstimmig auf
die Seite der USA; erbost stellten die amerikanischen UN-Vertreter
die Sowjetunion zur Rede und verlangten den Abbau der kubanischen
Raketenbasen.
Auf hoher See
rückten die sowjetischen Schiffe mit ihrer tödlichen
Fracht der Insel und einem Zusammenstoß mit der
amerikanischen Kriegsmarine immer näher. Durch das
amerikanische Volk ging eine Welle der Empörung, und die ganze
Menschheit stellte sich die bange Frage, ob nun die letzten Stunden
vor einer Wahnsinnskatastrophe gekommen seien.
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Andre parkte seinen
Wagen einige Straßen hinter der Place de la Madeleine und
ging, um seine Verfolger abzuschütteln, zu Fuß weiter.
Die beiden Bewacher stellten sich sehr ungeschickt an, und er war
sie rasch los.
Er betrat Lucas
Cartons Restaurant - eine Welt aus rotem Samt. Alex und einige
Mitglieder des Personals begrüßten ihn mit
großer Herzlichkeit, denn hier hatten
schon Generationen von Devereaux' verkehrt.
»Wie geht es
Ihrem Vater?« fragte Alex.
»Leider hatte
ich diesmal keine Gelegenheit, nach Montrichard zu fahren, aber es
geht ihm sehr gut.«
»Bitte, richten
Sie ihm einen Gruß von mir aus.«
»Danke,
gern.«
Alex geleitete Andre
persönlich zu einem der separaten Speisezimmer im ersten
Stock. Im Handumdrehen war eine Flasche Bourbon zur Stelle, und
Alex vollzog mit Hilfe eines kleinen Hammers das Ritual der
Eiszerkleinerung für Andres Manhattan, während Andre die
Speisekarte studierte. Er entschied sich für Sole à la
Carton, eine Spezialität des Hauses.
»Madame
Devereaux ist soeben gekommen.«
»Bitte,
führen Sie sie herauf.«
Es gab weder einen
Kuß noch einen Händedruck, und es fiel auch kaum ein
Wort, als sie sich gesetzt hatte. Sie bestellte etwas zu trinken
und zündete sich nervös eine Zigarette an. Als ihr
Getränk gekommen war, bat Andre, man möge sie nicht mehr
stören, bis er wieder klingle.
Nicole besaß die
Fähigkeit, in jeder erdenklichen Situation einen bezaubernden
Anblick abzugeben. Er sagte ihr, wie hübsch sie
aussehe.
»Danke.«
»Ich konnte
deine Anrufe nicht erwidern«, sagte Andre. »Es ist
immer die alte Geschichte. Ich weiß nicht, woher ich die Zeit
nehmen soll.«
»Ich kann mir
vorstellen, daß du in dieser kritischen Lage sehr eingespannt
bist.«
»Ja, also,
Nicole … ich habe dich Micheles wegen gebeten, nach Paris zu
kommen. Das Verschwinden von Francois Picard hat sie
außerordentlich hart getroffen.«
»Hat man
keinerlei Lebenszeichen von ihm?«
»Keines. Ich
erfahre nicht einmal von Robert etwas.«
»Und was
hältst du von der Sache?«
»Ich glaube,
daß wir ihn nie wiedersehen und wahrscheinlich auch nie genau
erfahren werden, was ihm zugestoßen ist.«
»Mein
Gott!«
»Ich
fürchte, sie haben, wie es so schön heißt, ganze
Arbeit geleistet. Man wollte mit ihm wohl ein Exempel statuieren.
Michele hat eine lange und schwere Zeit vor sich. Sie muß
darüber hinwegkommen, und es wird besser sein, wir schenken
ihr von vornherein klaren Wein ein. Du gehörst jetzt zu ihr,
Nicole, und mußt dich um sie kümmern.«
»Sie hat sich
nicht einmal gemeldet, wenn ich angerufen habe,
Andre.«
»Das darfst du
nicht persönlich nehmen. Sie hatte sich ganz in sich
verkrochen. Ich habe, kurz bevor ich herkam, noch mit ihr
gesprochen und ihr gesagt, daß du kommen und sie mit nach
Montrichard nehmen wirst. Da hat sie sich endlich ausgeweint und
gesagt, sie sehne sich sehr nach ihrer Mutter.«
»Das arme Kind
… Andre, laß uns zu ihr gehen
…«
»Es gibt ein
paar Dinge im Leben, die unverzeihlich sind«, erwiderte
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