Topas
sagte Andre,
»ist eine Illusion. Der Versuch, die NATO
auseinanderzubrechen, und unsere mittelalterliche
Außenpolitik, mit Hilfe kleiner Machtgruppierungen eine
Großmacht gegen die andere ausspielen zu wollen, führen
genau die Zustände herbei, die in unserer Zeit zweimal die
Zerstörung Frankreichs zur Folge hatten. O ja, Präsident
La Croix und seine Leute spielen ihre Karten meisterhaft aus. Ich
sehe schon voraus, daß sie noch so weit gehen werden,
für Frankreich eine Maklerrolle zwischen Rußland und
Westeuropa anzustreben. Und das ist der Anfang der Tragödie,
denn sie begreifen nicht - mit den Russen kann man nicht pokern.
Was den Ehrgeiz der Sowjets in Schranken hält, ist nicht
Pierre La Croix' internationale Schaukelpolitik, sondern die Macht
der Vereinigten Staaten.«
»Jetzt reicht es
aber, Devereaux!« rief d'Arcy und schnellte hoch.
»Rechnen Sie
nicht mit mir, wenn es darum geht, die NATO zu zerstören! Als
Franzose sage ich Ihnen, es gibt keine Möglichkeit, nicht die
geringste Möglichkeit für ein Überleben Westeuropas
ohne die Präsenz der Vereinigten Staaten.« Andre stand
auf. Er lächelte. »Sie sehen, wir werden
tatsächlich von Amerika geführt.«
D'Arcy schlug mit der
Faust auf den Schreibtisch, daß ihm die Knöchel weh
taten. Sein rundes Gesicht färbte sich purpurrot.
»Für solch verräterische Meinungen ist in unserem
heutigen Frankreich kein Platz!«
»Wollen Sie
damit sagen, Monsieur 1'Ambassadeur, daß für keine
andere Meinung als die von La Croix Platz ist? Da möchte ich
widersprechen. Das ist nicht mein Frankreich.«
26
Es war schön, ein
bißchen Romantik zu genießen. Nicole sah strahlend aus
heute abend, in ihrem spitzenbesetzten Neglige, an dem mit Kerzen
beleuchteten Tisch. Als das Mädchen das Geschirr
abräumte, beugte sich Andre hinüber, küßte
seine Frau auf die Wange und dankte ihr. Dann nahm er sich eine
schwere dunkle Zigarre und ein Glas Kognak.
»Liebling, ist
diese Reise wirklich notwendig?« fragte Nicole.
»Leider
ja.«
»Dr. Kaplan
meint das nicht.«
»Er leitet auch
keinen Nachrichtendienst.«
In seinem Beruf
erzählte man seiner Frau nur selten Genaueres. Nicole fragte
deshalb auch meistens nicht.
»Du fährst
nach Kuba, nicht wahr?«
Andre lachte und kniff
sie in die Wange. »Ja?«
»Du hast eine
gute Nase für Geheimnachrichten.«
»Deine
Gesundheit ist nicht das einzige, das mir Sorgen macht. In der
Botschaft wird die Feindseligkeit gegen dich allmählich recht
deutlich. Ich höre und spüre Dinge, die mich beunruhigen.
Man sagt, die Amerikaner benutzen dich für ihre
Zwecke.«
»Das tun sie
allerdings. Aber ich war jederzeit bereit, mich benutzen zu lassen,
wenn es im Interesse Frankreichs lag.«
»Du und deine
Wortverdrehungen! Mein Gott, wie beneide ich die Leute um uns
herum, die ein friedliches Leben führen. Ist dir bewußt,
Andre, daß du, seit ich dich kenne, keinen Tag verbracht
hast, an dem du nicht kämpfen mußtest? Seit zwanzig
Jahren, tagein, tagaus, und dieser Krieg, den du führst, hat
nie ein Ende. Du bringst ihn mit nach Hause, ins Eßzimmer,
ins Schlafzimmer. Wie oft habe ich das Gefühl, einen
geistesabwesenden Fremden anzusehen.«
»Nun, Liebste,
ich wünsche dir mehr Glück in deinem nächsten Leben.
Vielleicht findest du einen Tucker Brown.«
»Warum
mußt immer du alles machen? Sind keine anderen da? Warum bist
du immer mittendrin?«
»Präsident
Truman hatte ein kleines Schild auf seinem Schreibtisch stehen, das
mir immer gefallen hat. Darauf stand: ,An mir bleibt es
hängen.' Ich habe auch schon manche Leute beneidet, die
große Mehrheit meiner Kollegen, deren einzige Lebensaufgabe
es ist, eine gewisse Mittelmäßigkeit zu erreichen. Sie
laufen in einen sicheren Hafen ein, installieren sich und sortieren
in aller Ruhe und Bequemlichkeit ihre Büroklammern;
Verantwortung und Entscheidungen gehen sie aus dem Weg. Ich kann es
nicht erklären, Nicole, warum ich Konflikten nicht ausweichen
kann, aber ich kann nicht mit verstopften Ohren und geschlossenen
Augen herumlaufen und Schwierigkeiten den Rücken
kehren.«
Sie sah ihn
verständnislos an. Sie nahm die Worte nicht wirklich auf,
sondern hörte nur die Laute und empfand sie als eine seiner
wohlgesetzten Zurückweisungen. »Ich fahre zu
Michele«, sagte sie kurz. »Ich habe daran gedacht, mit
ihr zu verreisen.«
»Wohin?
Wann?«
»Ich weiß
nicht. Vielleicht nach Frankreich, zu deinem Vater. Schweiz.
Äußere Mongolei. Irgendwohin, wo ich nicht
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