Topas
Dienstag
spricht er vor dem Kongreß«, sagte Lowenstein
schließlich, »und nächsten Sonntag stellt er sich
der Presse.«
Welche Wirkung Brolin
ausüben würde, konnte man sich an fünf Fingern
ausrechnen. Die Zuschriften nahmen schon ein bedenkliches
Ausmaß an. Neueste französische Geheimberichte aus Kuba
deuteten darauf hin, daß die Sowjets tatsächlich
Fernlenkgeschosse anlieferten. Die beängstigende Frage, wann
sie einsatzbereit sein würden, ließ sich noch nicht
beantworten. Vor wenigen Stunden erst hatte der Präsident eine
zweistündige Unterredung mit einem sowjetischen
Sonderbotschafter gehabt, dessen Auftrag darin bestand,
Friedensbeteuerungen abzugeben und dem Präsidenten zu
versichern, daß man die russischen Absichten
mißverstehe.
»McKittrick«, sagte
der Präsident, »ich möchte, daß Kuba von
einem Ende zum anderen fotografiert wird, und zwar innerhalb
weniger Tage. Heben Sie alle Beschränkungen auf.« Dann
erhob er sich aus seinem Schaukelstuhl und sah General St. James
an. »Holen Sie die Pläne für eine Invasion
Kubas«, sagte er.
50
Die
Sûreté, die französische Sicherheitspolizei,
hatte ihr Hauptquartier im Innenministerium gegenüber dem
Elysee-Palast.
Ihr war ein
Fahndungsdienst angeschlossen, der im großen und ganzen die
gleichen Aufgaben versah wie der amerikanische FBI und von einem
altgedienten Berufsbeamten namens Leon Roux geleitet wurde. Dieser
gebot über geschulte Leute und einen glänzend
eingespielten Polizeiapparat und war irgendwelchem Druck durch
Staatspräsident Pierre La Croix
verhältnismäßig wenig ausgesetzt.
Roux lehnte es ab, die
neue Mode der Amerika-Verketzerung mitzumachen, und er
begrüßte seinen alten Freund Sid Jaffe, wie man einen
alten Freund begrüßt.
Der Franzose hatte die
raschen, ruckartigen Bewegungen eines Kolibris, dagegen ein
Gesicht, das so runzelig wie eine getrocknete Pflaume und von der
jahrelangen Polizeiarbeit ausgesprochen zynisch geworden
war.
Sie tranken Kaffee und
plauderten, dann kam Sid Jaffe auf das zu sprechen, was ihn nach
Paris geführt hatte.
»Bei Ihnen
hier«, sagte Jaffe, »hat man dutzendweise
NATO-Dokumente gestohlen und Kopien davon nach Moskau
geschickt.« - Leon Roux stöhnte und rieb sich tief
bekümmert das runzelige Gesicht.
»Wir besitzen
zum großen Teil die russischen Übersetzungen, die uns
ein Überläufer ausgehändigt hat«, fuhr Jaffe
fort, »und wir haben festgestellt, daß insgesamt sechs
Leute jedes dieser Dokumente gelesen haben: drei Franzosen und drei
Vertreter anderer NATO-Länder. Letztere sind inzwischen alle
in ihre Heimat zurückgekehrt. Nordstrom hat mich hergeschickt;
er bittet Sie, uns zu unterstützen und die verdächtigen
Franzosen überwachen zu lassen.«
Roux
nickte.
»Wir
möchten so wenig wie möglich Aufsehen erregen«,
sagte Jaffe, womit er andeuten wollte, daß weder der SDECE
noch Präsident La Croix schon jetzt ins Bild gesetzt werden
durften. Jaffe wußte natürlich um die fortgesetzten
Kämpfe zwischen Roux und dem SDECE - diese Rivalität kam
ihm zugute.
Roux blickte zur Decke
und dachte laut. »Sagen wir also, Jaffe hat mich nicht
besucht und mir nichts gesagt. Sagen wir, ich habe durch eigene
Quellen einen Fingerzeig erhalten. Infolgedessen habe ich
das Recht,
eigenmächtig zu handeln, und niemand braucht vorläufig
etwas zu wissen, stimmt's?«
Jaffe lächelte.
»Ich habe nichts gesagt.«
»Und nun raus
mit der Sprache, welche braven Franzosen werden
verdächtigt?«
»Oberst Galande,
Einsatzplanung Luftwaffe.«
Roux stülpte die
Lippen vor und machte eine Handbewegung, die besagen sollte:
kann sein, kann auch nicht sein. »Möglich«, meinte
er. »Galande war Offizier der Vichy-Regierung. La Croix hat
ihn vor Jahren wieder in Gnaden aufgenommen. Seine Frau war
Kommunistin - aber das ist in Frankreich kein Verbrechen.
Möglich, möglich.«
»Guillon,
Dienststelle des Generalstabschefs.«
»Äußerst
zweifelhaft, Jaffe.«
»Man kann nie
wissen.«
»Wer
noch?«
»NATO-Wirtschaftsreferent
Henri Jarre.«
Leon Roux' Schweigen
sprach Bände. Er ließ sich die Personalakten der drei
genannten Männer bringen und bat, man möge Marcel
Steinberger hereinrufen.
»Ich
übergebe diese Sache Inspektor Steinberger, den Sie gleich
kennenlernen werden. Ein Halbjude. Von Auschwitz kam er noch nach
Dachau, wo ihn die Amerikaner befreiten. Er hat Jahre in Ihrer
Militärregierung gearbeitet, ist außerordentlich
amerikafreundlich, verschwiegen und
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