Topas
intelligent.«
Gleichzeitig mit den
Akten der Verdächtigen kam Inspektor Steinberger. Die beiden
Herren wurden einander vorgestellt, und während Roux den
Auftrag des Amerikaners erläuterte, musterte Jaffe den
Inspektor eingehend.
Steinberger war ein
ziemlich kleiner Mann, dem man die Jahre in zwei
Konzentrationslagern äußerlich kaum ansah, bis auf einen
Anflug von Verstörtheit, der hin und wieder in seinen Augen
aufglomm. Es war ein Ausdruck plötzlicher Leere und
Geistesabwesenheit. Jaffe hatte die Erfahrung gemacht, daß
diese Nachwirkung ihrer Leiden die Opfer der Konzentrationslager
von anderen Menschen unterschied.
Nachdem der Bericht
beendet war, sahen die drei Männer die Akten durch. Leon Roux
riß zwei Blätter von einem Notizblock und reichte Jaffe
und Steinberger je eines über den Schreibtisch.
»Wir wollen,
jeder für sich, den Namen des gesuchten Mannes
aufschreiben.«
Jaffe verdeckte seinen
Zettel mit einer Hand und kritzelte zwei Worte hin, und genauso machte es
Inspektor Steinberger. Roux dagegen klemmte sich den Kugelschreiber
zwischen Zeige- und Mittelfinger und malte kunstvolle
Schnörkel. Die Zettel wurden ihm verdeckt zugeschoben. Er
drehte erst seinen eigenen um und dann die beiden
anderen.
Auf allen dreien
standen die gleichen Worte: HENRI JARRE.
51
Andre schob mit dem
Rücken die Tür auf und setzte seine Koffer ab. Ohne das
gewohnte Begrüßungsgekläff von Picasso und
Robespierre spürte er sofort eine gewisse Leere um sich. Im
Wohnzimmer brannte nur die Lampe zwischen den beiden
Louis-quinze-Sesseln. Verdrossen saß dort Brigitte Camus - in
Trenchcoat und Wollmütze. »Hallo, Monsieur
Devereaux«, sagte sie. Er fürchtete sich zu fragen, denn
er wußte die Antwort. »Ihre Frau ist
fortgegangen«, sagte Brigitte. »Wann?«
»Sowie Sie nach
Kuba abgereist waren. Auf dem Schreibtisch hat sie eine Nachricht
hinterlassen, und von Michele liegen mehrere Briefe im
Büro.«
Er ging zum
Schreibtisch, machte Licht und riß den Umschlag
auf.
Liebster
Andre,
was einmal Liebe
zwischen uns war, hat sich in etwas anderes verwandelt. Anscheinend
vergehen unsere Tage nur noch damit, daß wir einander weh
tun. Immer herrscht unter der Oberfläche eine feindselige
Spannung und wartet nur auf ein Wort, um zu
explodieren.
Ich hasse Deinen
Sklavenberuf. Ich wollte verstehen und zurückstehen, aber ich
kann nicht mit ansehen, wie Du vor meinen Augen zugrunde
gehst.
Wie sehne ich mich
nach vergangenen Zeiten, die wir nicht zurücklaufen
können. Wie sehr wünschte ich, es wäre nicht so weit
mit uns gekommen und wir hätten uns nicht so
auseinandergelebt. Wenn wir damals gewußt hätten, was
wir heute wissen, hätten wir vielleicht gegenseitig nicht das
Schlimmste, sondern das Beste aus uns herausholen können. Ich
kann Dir Deine Frauengeschichten nicht verzeihen. Ich habe sie
hingenommen, aber nie gebilligt. Vermutlich trage ich auch einen
Teil Schuld, weil ich Dir keine Erfüllung geschenkt
habe.
Ich weiß, ich
brauche Zeit zum Nachdenken - und Abstand von Dir, denn wenn ich
Dich sehe oder höre, zittere ich vor Schwäche. Michele
und ich wohnen in unserer Pariser Wohnung, und an Wochenenden
besuche ich Deinen Vater in Montrichard. Er war sehr taktvoll, wenn
man bedenkt, was für eine Meinung er im allgemeinen von Frauen
hat; die Bemerkung, daß ich nur ein weiterer Beweis sei,
blieb mir erspart.
Michele hat mit
Tucker gebrochen und sich hier in Paris an der Sorbonne
einschreiben lassen. Inzwischen ist sie mit einem jungen Mann
namens Francois Picard befreundet, einem Journalisten, der auch
für das staatliche Fernsehen arbeitet. Er setzt sich
aufopfernd für seine Ideale ein und erinnert mich in mancher
Hinsicht an Dich, zu der Zeit, da wir uns kennenlernten. Michele
ist ständig mit ihm zusammen.
Mein lieber Andre,
wenn ich Dich vielleicht auch mit dieser Trennung verletzt habe, so
glaube ich doch, daß ich Dich mehr verletzt hätte, wenn
ich - bei unserer festgefahrenen Ehe - in Washington geblieben
wäre.
Alles Liebe
Nicole.
Andre behielt den
Brief noch eine Weile in der Hand.
»Haben Sie
Hunger?« fragte Brigitte.
»Nein.«
»Etwas zu
trinken?«
»Nein - nein
danke, Madame Camus.«
Sie nahm ihm den Brief
aus der Hand und las ihn. »Sie ist unfair.«
»Ich
fürchte, Nicole handelt völlig richtig«, erwiderte
Andre. »Nein, das tut sie nicht. Nicoles Leben sollten Sie
sein. Ihr Leben ist die ganze Welt. Sie hat hier zu sein und bei
Ihnen zu
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