Topas
führt ein kleines Büro im Flughafen
Orly, angeblich zur Zollkontrolle. In Wirklichkeit ist sein
Büro mit einigen ansehnlichen Abhörgeräten, Kameras
und sinnreichen Vorrichtungen zum Aufbrechen von Schlössern
und Siegeln ausgestattet. Fauchet ist Fachmann im Öffnen
nachlässig versiegelter Diplomatentaschen und im
Abfotografieren ihres Inhalts. Seien Sie also vorsichtig, wenn Ihre
Diplomatenpost über Orly geht.«
Andre fühlte, wie
er zitterte, aber er beherrschte sich.
»Ich möchte
Ihnen noch einiges über Robert Proust und seinen Adlatus
Fauchet erzählen. Fauchet ist der Verbindungsmann des SDECE zu
gewissen Vertretern der französischen Unterwelt, die die
meisten Überfälle, Entführungen und Morde für
die Abteilung Geheimaufträge ausführen. Vor zwei Jahren
hat Fauchet ein kleines Hotel, das Miami, in der Rue Montparnasse gekauft.
Es gehört aber nicht ihm, sondern dem französischen
Geheimdienst.«
Sid Jaffe fuhr sich
mit der Zunge über die Lippen, weil ihm einfiel, daß er
Bar und Restaurant des Miami verschiedentlich aufgesucht hatte,
einmal gemeinsam mit Michael Nordstrom, der ihm jetzt einen Blick
zuwarf.
»Ferner hat man
aus der Unterwelt eine Reihe von sehr kultivierten und
vorzüglich geschulten Prostituierten bezogen. Sie arbeiten
für den SDECE auf diplomatischen Empfängen,
gewöhnlich als Mannequins oder sogar als Gastgeberin getarnt.
Ein verliebter oder betrunkener Diplomat ist gern bereit, die
Gesellschaft in Begleitung einer dieser jungen Damen zu verlassen
und mit ihr ins Miami zu gehen. Möchte ein
verheirateter Diplomat sich mit einem sogenannten verheirateten
Mädchen in dieser Gruppe verabreden, bestellt sie ihn
ebenfalls ins Miami. Jedes Zimmer kann dort
abgehört und mit versteckten Kameras fotografiert
werden.«
Kuznetow strich sich
nachdenklich über die Nasenspitze.
»Wenn mein
Gedächtnis mich nicht trügt, dann gibt es in Frankreich
zweiundzwanzigtausend Telefonzapfstellen und viertausend allein in
Paris, die von einer zentralen Stelle aus geschaltet werden. Doch
zurück zu Ferdinand Fauchet. Manchmal verzichtet er auf
Gangster und bestellt sich seine Morde statt dessen bei einer
fanatisch rechtsextremen Organisation. Ein Beispiel ist die
Ermordung der drei deutschen Industriellen, die im vergangenen Jahr
scheinbar bei einem Autounfall in der Schweiz ums Leben kamen.
Durch ihren plötzlichen Tod konnte eine französische
Firma einen NATO-Auftrag für Kurzstreckenraketen und
Trägerraketen erhalten, der den Deutschen zugesprochen werden
sollte.«
Kuznetow ging noch auf
Einzelheiten anderer Morde und Unternehmungen ein, die nur jemand
wissen konnte, der über außerordentlich gute Kontakte
verfügte. Es gelang Andre nur mit Mühe, den
äußeren Anschein der Ruhe zu wahren.
»Alles, was Sie
uns da erzählen«, sagte er, »beweist lediglich,
daß Sie über vorzügliche Informationsquellen
bezüglich der Arbeit des SDECE
verfügen.«
»Es gibt also
nichts, worin Sie mich berichtigen möchten?«
»Es gibt nichts,
zu dem ich mich äußern möchte.«
»Würden Sie
sagen, daß dieses Organisationsschema des SDECE
stimmt?«
»Vielleicht.«
»Stellen Sie
fest, daß irgend etwas fehlt?«
Andre musterte die
Übersicht an der Tafel, gab aber keine Antwort auf die
Frage.
»Es fehlt in der
Tat etwas«, fuhr Kuznetow fort. »Es gehört zu
Robert Prousts Abteilung ,Geheimaufträge' und wird einmal
Ferdinand Fauchet unterstellt sein. Es wird den Namen Sektion P
bekommen und vorwiegend aus französischen Wissenschaftlern
bestehen, die man gegenwärtig schult, um sie dann in der
amerikanischen Forschung und Industrie
unterzubringen.«
»Amerika ist
unser Verbündeter. Wir haben ein offizielles Programm zum
Austausch von Wissenschaftlern.«
»Aber die
Sektion P hat einen völlig anderen Zweck.«
»Welchen?«
»Sie übt
nicht nur Wachsamkeit, die jedes Land auch gegenüber seinen
Freunden walten läßt, sondern sie treibt Spionage. Die
Sektion P wird in den Vereinigten Staaten Industrie- und
Forschungsspionage treiben.«
Andre spürte fast
körperlich den Blick der anderen. »Das ist eine
Lüge«, sagte er leise.
»Die Sektion P
wird in den Vereinigten Staaten Spionage treiben, als ob die
Vereinigten Staaten der Feind Frankreichs wären«,
wiederholte Kuznetow.
»Sie wollen mir
erzählen, daß es im Jahr 1962 die Politik der
französischen Regierung ist, vorsätzlich einen
Spionagering gegen Amerika aufzuziehen?«
»Ja.«
»Das ist eine
Lüge«, sagte Andre noch einmal.
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