Topkapi
gestellt hatte.
Die Hamuls kamen herein, um das Servieren des Abendessens vorzubereiten; ich sah, daß der alte Mann die Situation mit einem Blick erfaßte. Er begann auf Geven einzureden, in einem so starken Dialekt, daß ich nicht annähernd mitbekam, was er sagte. Aber Geven schien ein wenig besänftigt. Er grinste hin und wieder. Er trank dabei stetig weiter, und als ich gehen wollte, flammte sein Mißtrauen wieder auf.
»Wohin gehst du?«
»Du hast ja doch zu tun. Ich bin nur im Weg.«
»Setz dich. Du bist mein Gast. Warum trinkst du nichts?«
Ich hatte ein bis an den Rand mit Schnaps gefülltes Wasserglas vor mir. Ich nahm einen Schluck.
»Trink!«
Ich trank und versuchte, so zu tun, als mache es mir Spaß. Als er nicht hersah, gelang es mir, die Hälfte meines Glases in den Ausguß zu schütten. Viel half es nicht. Sowie er das halbleere Glas bemerkte, füllte er es nach.
Um halb neun wurde zu Abend gegessen, und um diese Zeit war er bereits sinnlos betrunken. Er lehnte gegen den Herd, das Glas in der Hand, und lächelte selig auf Mrs. Hamul herunter, während sie den ekelerregenden Inhalt des Topfes in die Schüsseln schöpfte. Schließlich wurde serviert.
Ein paar Sekunden später hörten wir einen gedämpften Schrei aus dem Speisezimmer. Eine Tür wurde aufgerissen. Den Gang entlang kamen schnelle Schritte. Ich hörte Miss Lipps Stimme. Dann stand Fischer in der Küche. Er hatte einen gefüllten Teller in der Hand.
Als Geven sich schwankend umwandte, schrie Fischer ein paar schrille Worte auf türkisch und warf den Teller.
Er traf Geven an der Schulter und zerbrach dann auf dem Boden; aber er hatte eine ordentliche Portion Stew ins Gesicht bekommen. Soße rann ihm über den Kittel.
Fischer fluchte immer noch. Geven blickte starr vor sich hin. Als Fischer sich zum Gehen wandte, nahm Gevens Gesicht einen ganz eigentümlichen Ausdruck an. Seine Augen wurden groß. »Monsieur est servi« , sagte er. Im gleichen Augenblick sah ich, wie seine Hand nach dem Hackmesser griff.
Ich schrie Fischer eine Warnung zu, aber Geven schoß wie ein Blitz hinter ihm her auf den Flur. Bis ich zur Tür kam, taumelte Fischer bereits im Gang und schrie um Hilfe. Aus einer klaffenden Wunde in seinem Gesicht schoß das Blut, und er versuchte, sich mit hochgehaltenen Händen zu schützen. Geven hackte wie ein Verrückter auf ihn ein.
Als ich vorwärts stürzte und seinen Arm mit dem Messer umklammerte, kam Harper aus dem Eßzimmer in den Flur gelaufen.
»Senden illâllah!« heulte Geven.
Harper versetzte ihm einen Nackenschlag, und Geven ging wie ein leerer Sack zu Boden.
Von Fischers Armen und Händen strömte das Blut. Er stand schwankend da und starrte an sich herunter.
Harper sah mich an. »Den Wagen, schnell.«
Ich parkte den Wagen am Fuß der Treppe und ging durch den Vordereingang ins Haus. Es schien nicht der richtige Augenblick, Formen zu wahren.
Fischer saß in einem Waschraum mit Marmorfußboden direkt neben der Eingangshalle. Harper und Miss Lipp umwanden seine Hände und Arme mit Handtüchern; Miller versuchte, die Blutung im Gesicht zu stillen.
Harper sah mich und deutete auf Hamul. »Fragen Sie den Alten, wo der nächste Arzt wohnt. Kein Krankenhaus, ein praktischer Arzt.«
Fischers Gesicht war fahlgrau.
Es gab zwei Ärzte in Sariyer, sagte Hamul, aber der nächste wohnte außerhalb Büyükdere in der anderen Richtung. Er würde in die Villa kommen, wenn man ihn telefonisch rief.
Harper schüttelte den Kopf.
»Wir gehen zu ihm« , sagte er. »Wir geben ihm fünfhundert Pfund und sagen, du seiest in einen elektrischen Ventilator gestürzt. Das müßte genügen.« Er blickte auf Miss Lipp. »Du und Leo, ihr bleibt besser hier.«
Sie nickte.
»Können wir Hamul mitnehmen, daß er mir den Weg zeigt?« sagte ich.
»Okay.«
Harper setzte sich mit Fischer und einem Bündel frischer Handtücher nach hinten; Hamul stieg zu mir nach vorn.
Der Arzt wohnte an der Küstenstraße. Hamul wartete mit mir draußen im Wagen, also konnte ich nicht aussteigen und den Männern im Opel sagen, was sich abspielte. Vermutlich würden sie es ohnehin später von dem Arzt erfahren. Hamul kauerte sich in seine Ecke und schlief ein. Aber als ich versuchte, die Tür zu öffnen, fuhr er sofort hoch. Ich blieb sitzen und rauchte. Ich hätte wegen der Wagentüren einen Zettel schreiben und ihn in einem Zigarettenpäckchen hinauswerfen können – Hamul hätte es sicher nicht gemerkt –, aber da glaubte ich noch, ich würde
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