Topkapi
Ich öffnete zuerst den Kofferraum, um festzustellen, ob hier etwas untergebracht war; dann untersuchte ich den Motor. Man kann es gewöhnlich an Ölflecken sehen, wenn an einem Motor gearbeitet worden ist. Ich fand natürlich nichts. Erst als ich die Tür aufmachte, um nachzusehen, ob eventuell im Handschuhfach etwas lag, sah ich die Kratzer.
Derjenige, der die Türfüllungen herausgenommen hatte, hatte genau den Fehler gemacht, vor dem ich mich so gehütet hatte; er hatte einen gewöhnlichen Schraubenzieher für die Kreuzschlitzschrauben genommen. Überall, wo ihm der Schraubenzieher ausgerutscht war, hatte er Kratzer, blanke Stellen auf dem Metall und Schnitte im Leder hinterlassen. Einem anderen wäre das gar nicht aufgefallen. Ich untersuchte alle vier Türfüllungen und wußte sofort, daß sie alle losgeschraubt und wieder eingesetzt worden waren. Ich spürte es auch an dem ganz anderen Schwung, den die Türen hatten, als ich sie bewegte, daß die schweren Gegenstände, die in ihrem Inneren verborgen gewesen waren, nicht mehr da waren. Vermutlich waren sie in der Garage beim Spanischen Konsulat herausgenommen worden. Weiß der Himmel, wo sie jetzt waren.
Ich überlegte, ob ich auf der Stelle wieder hinunter auf die Straße gehen sollte, um dem Überwachungswagen zu berichten. Ich beschloß zu warten. Wenn das Zeug noch in der Garage war, würde es am Morgen wahrscheinlich auch noch dort sein. Wenn es, was mir wahrscheinlicher schien, bereits weggebracht worden war, dann war der Schaden passiert, und zwei oder drei Stunden würden keinen Unterschied mehr machen. Außerdem hatte ich das Gefühl, für diesen Tag genug Risiken eingegangen zu sein, und ich hatte immer noch die Suche nach dieser verdammten Karte vor mir. Ich glaube, ich handelte vernünftig. Ich kann Leute nicht ausstehen, die hinterher immer alles besser wissen, aber es ist jetzt wohl klar, daß Tufan die entscheidenden Fehler machte und nicht ich.
Der Ärger mit Geven begann, als wir in der Küche unser Abendbrot aßen; oder vielmehr, während ich aß und er noch mehr Schnaps in sich hineinschüttete. Es war gegen sieben Uhr, und seit sechs war er am Trinken. In dieser einen Stunde muß er eine halbe Flasche getrunken haben. Er war noch nicht völlig betrunken, aber er war alles andere als nüchtern. Er hatte einen wundervollen Risotto mit feingehackter Hühnerleber und Gewürzen gemacht. Ich war bei meiner zweiten Portion und versuchte ihn dazu zu überreden, wenigstens das zu essen, was er auf dem Teller hatte, als Fischer hereinkam.
»Geven!«
Geven blickte auf und schenkte ihm ein glasiges Lächeln.
»Vive la compagnie« , sagte er gesellig und griff nach einem schmutzigen Glas. »Un petit verre, monsieur?«
Fischer ignorierte die Einladung. »Ich möchte wissen, was es zum Abendessen gibt«, sagte er.
»Es ist bereits fertig.« Geven entließ ihn mit einer Handbewegung und wandte sich wieder mir zu.
In diesem Augenblick sah Fischer auf meinen Teller. »Ah, ich sehe. Risotto, ja?«
Gevens Lippe bebte. »Das ist für das Personal. Für den Herrn und seine Gäste gibt es ein Gericht nach Art des Landes.«
»Was für ein Gericht?«
Geven antwortete auf türkisch. Ich verstand nur ein Wort von dem, was er sagte: kuzu , junges Lamm.
Zu meiner und wohl auch Gevens Überraschung antwortete Fischer gleichfalls auf türkisch.
Geven stand auf und brüllte etwas.
Fischer brüllte ebenfalls und stürmte dann hinaus, ehe Geven noch antworten konnte.
Geven setzte sich wieder. Seine Unterlippe zitterte so heftig, daß ihm der Schnaps übers Kinn lief, als er sein Glas austrank. Er schenkte sich wieder ein und funkelte mich an.
»Pislik!« sagte er. »Domuz!«
Das waren rüde Worte auf türkisch. Er füllte mein Glas nach und schob es mir herüber. »Ein Toast«, sagte er.
»In Ordnung.«
»Beförderung entfällt in diesem Teil der Welt, trinkt aus, Freunde, ich segne euch alle! Trink!«
Ich trank.
Er begann zu singen. »Segne alle Sergeanten und Spieße, segne alle Unteroffiziere und ihre leiblichen Söhne! Trink!«
Ich nippte.
Er stürzte das Glas hinunter und lehnte sich schweratmend über den zerhackten Küchentisch. »Wenn dieser Hund noch ein Wort sagt, bringe ich ihn um.«
»Er ist doch nur ein Narr.«
»Du verteidigst ihn?« Seine Unterlippe bebte.
»Nein. Aber lohnt es sich, den umzubringen?«
Er schenkte sich wieder ein. Sein Kopf schien krampfhaft am Werk, mit dem neuen Dilemma fertig zu werden, vor das meine Frage ihn
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