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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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»Ich sollte nicht so empfinden. Nicht für einen …«
    Er verstummte, trotzdem hing das Wort zwischen uns, schmerzte wie eine offene Wunde. Ich konnte spüren, wie Zeke mit sich rang: vielleicht, um die Kraft aufzubringen, sich von mir zu lösen, vielleicht aber auch, um etwas zu tun, das allem widersprach, was er jemals gelernt hatte. Alles in mir schrie danach, mich vorzubeugen und seine Berührung zu erwidern, doch gleichzeitig hatte ich Angst, er würde sich dann zurückziehen, und der Moment wäre unwiederbringlich verloren. Also verhielt ich mich ruhig, blieb passiv und möglichst unbedrohlich, damit er selbst entscheiden konnte, was er wollte. Das Schweigen zog sich in die Länge, aber seine Hand, diese sanften Finger, wärmten weiter meine Haut.
    »Sag etwas«, murmelte er schließlich und umfasste meine Wange als könnte er es nicht ertragen, sie loszulassen. »Ich kann dich nicht sehen, deshalb … ich weiß nicht, was du denkst. Sprich mit mir.«
    »Was soll ich denn sagen?«, flüsterte ich.
    »Ich weiß nicht. Sag mir …« Zeke ließ den Kopf hängen und leise Verzweiflung schlich sich in seine Stimme. »Sag mir, dass ich nicht wahnsinnig bin«, flüsterte er schließlich. »Dass … dass es nicht so verrückt ist, wie ich glaube.«
    Sein Herzschlag setzte kurz aus, dann dröhnte er wieder in meinen Ohren. Der Hunger hob neugierig sein Haupt, gierig wie immer, aber diesmal fiel es mir leicht, ihn zu igno rieren. Ich dachte nicht an das Blut, das durch seine Adern floss. Ich dachte nicht an seinen Herzschlag, seine Berührung oder die lockende Schlagader an seiner Kehle. In diesem Moment dachte ich einfach nur an Zeke.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte ich sanft, als er noch näher heranrückte, sodass ich trotz der nassen Kleidung seine Körperwärme spüren konnte. Mir war klar, dass ich mich zurückziehen sollte, aber wozu? Ich hatte es satt, ständig zu kämpfen. In der absoluten Finsternis, in der uns niemand sehen, niemand über uns urteilen konnte, schien unser Geheimnis sicher zu sein. »Vielleicht sind wir beide ein bisschen verrückt.«
    »Damit kann ich leben«, murmelte Zeke, und dann tat er endlich das, was ich gehofft, gefürchtet und mir von Anfang an erträumt hatte. Mit beiden Händen umfasste er mein Gesicht, beugte sich vor und küsste mich.
    Seine Lippen waren warm und weich, sein einzigartiger Duft hüllte mich ein. Ich strich über seine Arme, erwiderte den Kuss … und der Hunger erwachte, genauso kraftvoll wie immer, aber doch anders. Diesmal wollte ich ihn nicht beißen, wollte nicht sein Blut trinken – ich wollte ihn langsam in mich aufnehmen, ihn zu einem Teil meiner selbst machen. Und ich wollte mein Wesen mit ihm teilen, sodass wir zu einer Einheit verschmolzen.
    Schmerzhaft drückten meine Reißzähne gegen das Zahn fleisch und wollten durchbrechen. Wollten die Kuhle an Zekes Hals ansteuern, wo der Puls am dichtesten unter der Haut lag, und sich darin versenken. Gleichzeitig verspürte ich den Drang, ihm meine Kehle darzubieten, damit er dasselbe mit mir tat.
    Was mir einen solchen Schrecken einjagte, dass ich wieder zur Besinnung kam.
    In letzter Sekunde beendete ich den Kuss und löste mich von ihm. Verwirrt starrte Zeke mich an, aber in der Dunkelheit konnte er nicht sehen, welches Monster vor ihm kniete, nur Zentimeter von seiner Kehle entfernt.
    »Zeke …«, setzte ich an, sobald ich mich wieder unter Kontrolle hatte. Doch bevor ich noch etwas sagen konnte, huschte ein Ausdruck von Schuldbewusstsein über sein Gesicht und er ließ sich auf die Fersen zurücksinken.
    »Entschuldige«, flüsterte er. Anscheinend war er entsetzt über sein Verhalten. Abrupt stand er auf, und ich folgte seinem Beispiel, da es eine willkommene Ablenkung bot. »Gott, was habe ich mir nur dabei gedacht? Es tut mir leid, wir verlieren bloß Zeit. Wir müssen die anderen suchen.«
    »Hier entlang«, sagte ich nur, und diesmal musste ich nicht nach seiner Hand greifen. Völlig selbstverständlich schlang er seine Finger um meine und drückte sie. Möglichst leise gingen wir weiter und drangen tiefer in die Ruine vor.
    Wir durchquerten noch mehr Korridore, stiegen mehrere wackelige Treppen hinunter und arbeiteten uns langsam und extrem vorsichtig in die tieferen Etagen vor. Schließlich entdeckte ich ein handgemaltes Schild, auf dem in roten Buchstaben ›Backstage‹ stand. Der Pfeil darunter deutete auf eine Treppe. Noch während wir über die staubigen Stufen nach unten schlichen, hörte

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