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Tor der Daemmerung

Tor der Daemmerung

Titel: Tor der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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hatte keine Ahnung, wie ich ihn trösten sollte. Mitgefühl war noch nie meine Stärke gewesen, und alles, was ich sagen konnte, würde doch nur seltsam bemüht klingen. Zumal nach dem Grauen, das wir gerade erlebt hatten.
    Da ich davon ausging, dass er allein sein wollte, ließ ich ihn am Ende des Korridors zurück, damit er den Tod seines Freundes betrauern konnte.
    Um ehrlich zu sein, brauchte ich ebenfalls ein paar Minuten für mich.
    Meine Augen brannten und ich ließ die blutigen Tränen fließen, bevor ich mir entschlossen die Wangen abwischte. Erst Dorothy und jetzt Darren. Darren, der immer mit mir gescherzt und für mich Partei ergriffen hatte, sogar gegenüber Zeke. Der geschickte Jäger, der ein angenehmer Reisegefährte gewesen war, vielleicht sogar ein Freund. Mir wurde bewusst, dass ich ihn tatsächlich vermissen würde. So einen Tod hatte er nicht verdient. Er war nicht so weit gekommen, um am Ende von einem Verseuchten zerfetzt zu werden. Ich ballte die Fäuste, bis meine Nägel sich in die Haut bohrten. Dafür würde Jackal bezahlen. Für alles würde er bezahlen.
    Während ich zu Zeke zurückging, versuchte ich einen Plan zu entwerfen, und hoffte, dass er nicht zu mitgenommen sein würde, um mir dabei zu helfen. Er saß immer noch in der Ecke und starrte an die Wand, aber jetzt war sein Blick ungetrübt.
    Vorsichtig hockte ich mich neben ihn. »Alles okay?« Keine sonderlich brillante oder einfühlsame Frage, aber etwas anderes fiel mir nicht ein.
    Er schüttelte den Kopf. »Wir müssen den Rest der Gruppe finden«, flüsterte er und stand mühsam auf. Dann lehnte er sich wieder gegen die Wand, atmete tief durch und sah mich an. Schon wesentlich entschlossener fragte er: »Was meinst du, wo Jackal sie festhält?«
    »Keine Ahnung«, murmelte ich. »Schätzungsweise irgendwo hier in der Nähe. Bei dieser Überschwemmung ist es wahrscheinlich nicht einfach, Gefangene zu transportieren. Also hat er sie bestimmt gerne bei sich.«
    »Wir sollten das Gebäude durchsuchen«, stimmte Zeke mir mit einem Nicken zu. »Sobald alle weg sind …«
    Lauter Jubel aus der Arena unterbrach ihn. Entweder schwamm Jackal gerade auf einer Woge des Erfolgs, oder es wurde wieder jemand in Stücke gerissen. Mir rieselte erneut ein eisiger Schauer über den Rücken – hoffentlich war es Variante eins.
    Wortlos sahen wir uns an. Zeke dachte offenbar dasselbe wie ich. Uns blieb nicht viel Zeit. Mit jeder Minute wuchs das Risiko, dass noch jemand starb, dass einer von ihnen in den Käfig gesteckt und zur Belustigung des Mobs zerfetzt wurde. Jackal war absolut gnadenlos, ohne jeden Zweifel würde er selbst Caleb oder Bethany opfern, um zu bekommen, was er wollte. Wir mussten unsere Leute so schnell wie möglich finden.
    »Hinter der Bühne«, flüsterte Zeke mit stahlhartem Blick. »Sie haben Jeb und Darren durch den Vorhang nach vorne gebracht. Vielleicht halten sie die anderen ja auch dort hinten gefangen.«
    Ich nickte. »Klingt logisch. Auf jeden Fall sollten wir dort mit der Suche beginnen.«
    Doch zwischen uns und der Bühne befanden sich zweihundert Banditen und ungefähr zehn Meter Wasser – von Jackal ganz zu schweigen. Ich hatte keine Ahnung, wie mächtig der Banditenkönig war, und auch keinerlei Bedürfnis, es herauszufinden. »Es muss eine Hintertür geben«, überlegte ich. »Irgendeine Möglichkeit, von hinten reinzukommen.«
    »Da sind jede Menge Fenster«, erinnerte sich Zeke.
    »Stimmt.« Ich wandte mich ab. »Hoffentlich macht es dir nichts aus, ein kleines Bad zu nehmen.«
    Im Schatten der Außenmauer ließen wir uns in das schwarze, schmierige Wasser gleiten und suchten uns einen Weg am Gebäude entlang. Im Gegensatz zu Zeke war ich kein besonders guter Schwimmer, aber die Mauer bot jede Menge Möglichkeiten, sich festzuhalten. Und natürlich musste ich keine Angst vorm Ertrinken haben. Hin und wieder streifte mein Bein etwas unter der Wasseroberfläche, vielleicht einen Zweig, einen Laternenmast oder ein Autodach. Was mochte sich wohl alles da unten befinden? Hoffentlich keine Lebewesen. Oder wenn schon Leben, dann zumindest nichts, was uns fressen wollte. Vor meinem inneren Auge erschienen riesige, verseuchte Fische, die lautlos durch das trübe Wasser glitten und um unsere Beine streiften. Ich beschloss, diese Vorstellung Zeke gegenüber unerwähnt zu lassen.
    »Da!« Ich zeigte auf eine rostige Metalltreppe direkt vor uns. Sie wand sich an der Außenmauer hinauf bis zu einer Plattform im obersten

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