Tore der Zeit: Roman (German Edition)
verschränkte die Arme hinter dem Rücken und starrte in die Flammen. »Ardor magyca«, wiederholte er. »Hast du eine Ahnung, wie schnell deine Flamme erlischt, wenn ich sie mit bloßer Hand ersticke?«
Yvonne runzelte die Stirn. »Du drohst mir? Das ist nicht dein Ernst. Ich habe dir geholfen, Beliar. Ohne meine Beschwörungskunst säßest du noch immer angekettet am Baum der Nacht und würdest dir den Arsch abfrieren.«
Die schwarz umrandeten Kohlen im Kamin glühten auf. Beliar krallte die Finger in den Sims. »Ich könnte dich auf der Stelle vernichten«, stieß er hervor. Yvonne hörte, wie schwer er atmete. »Auf der Stelle könnte ich dich aus dem Schloss werfen und zuschauen, wie du in der Gosse krepierst.«
»Das glaube ich kaum«, erwiderte sie gelassen. »Velasco würde unter keinen Umständen zulassen, dass mir oder dem Kind etwas passiert. Wie sehr er sich auf seinen Enkel freut! Ich bin sicher, mit dem Jungen hat er große Pläne.« Sie musterte ihr Gegenüber. »Ich bin nicht wie die anderen Fürsten«, erklärte sie dann. »Ich bin das Feuer, Beliar. Reine, unveränderliche Energie. Du brauchst mich. Und deshalb wirst du jetzt dieses Interview fortsetzen, so wie wir besprochen haben.«
Der Teufel warf den Kopf zurück und lachte. Der Schattenriss an der Wand zeigte eine andere Gestalt als den erregten Moderator: Ein zorniger schwarzer Ritter stand am Kamin. Ein Schuppenschwert ragte über seiner linken Schulter auf, ein mächtiger Skorpionschwanz fegte über den Boden. Für eine Sekunde enthüllte das flackernde Feuer Beliars wahre Erscheinung, die er hinter zahlreichen Masken verbarg.
Mit geschickten Fingern zog Yvonne die Schlinge um den Hals der Alraune zusammen. Sie hatte die Schlaufe aus Draht, Hanffasern und dem Schweifhaar eines schwarzen Pferdes geknüpft. Die kurze Leine, an der sie Beliar zu führen gedachte.
Er ächzte und griff sich an die Kehle, dem Äußeren nach ein TV-Produzent, den sein stressiger Job an den Rand eines Herzinfarkts brachte. Und im Schattenriss ein Ungeheuer, das sich wütend aufbäumte. Mit schnellen Schritten kam er zu ihr, packte ihr Handgelenk und zwang sie, die Finger zu öffnen. Angewidert warf er die Alraune in die Flammen.
Die magische Wurzel schrie auf. Es war ein Laut wie von einer Metallkralle auf einer Tafel. Yvonne hielt sich die Ohren zu. Fasziniert sah sie zu, wie die menschenähnliche Alraune vergeblich versuchte, der Glut zu entkommen. Sie wand und krümmte sich. Ihre Beine verkohlten. Dann sank der Kopf nach vorn, und ein scharfer Duft stieg auf – ein Geruch wie von einem Kartoffelfeuer.
»Voodoo! Kräuterzauber! Was für ein Unfug! Als ob ich nicht schon seit Tausenden von Jahren mit solchem Hexenwerk vertraut wäre. Du enttäuschst mich, Yvonne«, meinte Beliar. Seine Stimme klang kalt. Der unheimliche Schatten des Skorpionkriegers war verschwunden. »Dein Zauberfeuer kann mir herzlich wenig anhaben. Aber in einem Punkt hast du recht: Noch hat Ravenna ihren Auftrag nicht erfüllt, und solange das nicht der Fall ist, sind auch wir nicht am Ziel. Meinetwegen können wir dieses Interview also fortsetzen.«
»Und ob wir das tun«, stieß Yvonne hervor. »Wegen dir bin ich in ziemlich hässliche Schwierigkeiten geraten. Die Anklage lautet auf Mord – weißt du nicht mehr? Solange ich nicht beweisen kann, dass ich unschuldig bin, kann ich nicht in meine Zeit zurückkehren. Und Ravenna macht inzwischen, was sie will.«
Beliar lächelte, als er wieder zur Kamera ging. »Schon wieder geht es um Ravenna? Da hört man mal, wie eifersüchtig du bist.«
»Lass uns einfach weitermachen!«, fauchte Yvonne. Sie rückte sich auf dem Diwan zurecht und brachte Haare und Kleider in Ordnung. Aber es würde schwer werden, das Interview mit derselben Gelassenheit fortzuführen wie vor der Unterbrechung. Beliars Spötteleien gingen ihr auf die Nerven. Sie hasste nichts so sehr wie den Vergleich mit ihrer Schwester.
»Drei … zwei … eins – und bitte.« Beliar zählte ein, obwohl sie nur zu zweit waren. Das Aufnahmelicht leuchtete, als er zu ihr kam und sich wieder neben sie setzte. »Magie und Wissenschaft – schließt sich das nicht gegenseitig aus?«, fragte er noch einmal.
»Ganz im Gegenteil«, erwiderte Yvonne und wiederholte brav den Rest der auswendig gelernten Rede. Danach plauderten sie noch eine Weile über ihr Verhältnis zu ihrer Schwester und zu Hexen allgemein, ohne den Zirkel der Sieben zu erwähnen.
»Ohne Ursache keine Wirkung«,
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