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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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Ravennas Beine zu zittern, und sie hätte sich beinah neben Lucian gesetzt. Plötzlich wurde ihr klar, weshalb ihr Ritter völlig frustriert auf dem Boden verharrte: Der Graf mit den schulterlangen grauen Haaren war der Vater der Hexe Maeve. Sie hatte keine Ahnung, ob Ferran de Barca ihrem Ritter jemals verziehen hatte, dass er das Mädchen nicht hatte beschützen können. Aber dass sich Vadym mit einem fremden Burgherrn verbündet hatte, war kein gutes Zeichen.
    »Lucian bat mich gerade um einen Kredit, als du ins Zimmer geplatzt bist«, fuhr Vadym mit spöttischem Unterton fort. »Rein zufällig ergibt es sich, dass ich gerade flüssig bin. Mehr als flüssig sogar. Zehntausend Euro sind schließlich keine Kleinigkeit.«
    »Das kann doch wohl nicht wahr sein, Vadym!«, stieß Ravenna wütend hervor. »Das Geld gehört uns! Wir haben es durch den Auftritt in Vanessas Show verdient.« Die Uhr tickte in ihrer Faust, sie konnte es spüren. Draußen auf dem Hof flammten Feuer auf. Offenbar bereitete Beliar bereits das Finale des Tages vor.
    »Tja – und wir nahmen es euch wieder ab!«, zischte der Magier. »Fünfundsiebzig Kilo Münzen. Es macht wirklich keinen Spaß, einen solchen Sack durch Paris zu schleppen. Aber dein Ritter hat es nicht anders gewollt.«
    »Was verlangst du?«, fragte Ravenna. Sie strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht. »Du willst doch sicher eine Gegenleistung. Nur mach schnell, sonst scheiden Lucian und ich nämlich in dieser Runde aus. Ich frage mich allerdings, ob Beliar dich dann weiterspielen lässt. Irgendwie ergibt das nämlich keinen Sinn.«
    Plötzlich war sie furchtbar müde. Sie hörte, wie die beiden Filmemacher vor der Tür diskutierten. Der Graf ließ Lucian nicht aus den Augen. Es war kein freundlicher Blick – keinesfalls der Ausdruck, den man von einem Mann erwartete, der beinahe einmal so etwas wie sein Schwiegervater geworden wäre.
    Allmählich verschwand das Lächeln aus Vadyms Gesicht. »Mein Gott, Ravenna, du siehst furchtbar aus. Und dein Freund ist auch ganz blass.« Der Russe schüttelte den Kopf. »Also schön. Ihr könnt die Nacht mit uns verbringen. Ihr sollt alles bekommen, was ihr braucht, um morgen für das Rennen wieder fit zu sein.«
    Ravenna schluckte. Sie spürte ein unangenehmes Kratzen im Hals, als hätte sie den Haken, an dem Vadym den Köder auswarf, bereits geschluckt. »Das hört sich vernünftig an«, sagte sie jedoch. »Wenn du noch einen Sack voll Geld obendrauf legst.«
    »Ich traue Vadym nicht«, ließ Lucian sich da heiser vernehmen. »Und du solltest es auch nicht tun. Ich traue überhaupt niemandem mehr, der uns in diesem teuflischen Spiel Unterstützung verspricht.«
    Der Graf de Barca stand ruckartig auf, mit kerzengeradem Rücken und einer vor Zorn versteinerten Miene. Metall klirrte an seiner Gestalt, und der schwere, mit Zobel gesäumte Mantel fegte über den Boden. Das Wappen der de Barcas war eine Muschel, die der Graf und seine Begleiter als Tasseln an den Mänteln oder als Abzeichen auf Schilden und Harnischen trugen.
    »Du scheinst nicht ganz zu begreifen, in welcher Lage ihr euch gerade befindet, junger Mann«, sagte er zu Lucian. Seine Stimme war tief und überraschend weich. »Diese Berge wimmeln von Mördern und Strauchdieben, die nur darauf aus sind, dich und deine Hexe gefangen zu nehmen. Dann werden sie euch an Velasco ausliefern und die Belohnung kassieren. Ihr hattet großes Glück, dass ihr auf die Pilger gestoßen seid. Glück – das ist alles. Wenn ihr bei Dunkelheit weiterreitet, wird man euch an der nächsten Wegbiegung überwältigen. Willst du wirklich das Leben noch einer jungen Frau zerstören? Wir sind hier, um euch vor den Geiselnehmern zu schützen. Darum hatte uns dieser russische Grandseigneur gebeten.«
    Russischer Grandseigneur – das geht sicher runter wie Öl, dachte Ravenna, während sie Vadym im Auge behielt. Grinsend kippte der Magier denStuhl noch ein Stück nach hinten und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
    »Ich habe Maeves Leben nicht zerstört«, sagte Lucian. »Das war mein Vater.«
    Der Graf de Barca legte die Hand um den Griff seines Schwertes. »Wir gewähren euch Gastfreundschaft für eine Nacht. Mein Wundarzt wird sich um deine Hand kümmern. Das ist viel für jemanden in eurer Lage.«
    »Diese Gastfreundschaft hat doch sicher ihren Preis«, warf Ravenna ein.
    Vadyms Augen glühten auf. Offenbar hatten er und seine Begleiter ziemlich lange in der Schmiede auf ihr Eintreffen gewartet

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