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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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Waffen. Cezlav fasste nach dem riesigen Zweihänder, den er sich angeeignet hatte – noch ein leichtsinniger Glücksritter, der seine Grenzen nicht kannte.
    Die Haltung des Grafen versteifte sich. »Zwing mich nicht, euch mit Gewalt festzuhalten, Lucian. Bewahre dir wenigstens einen Rest Würde. Dann sollst du Cor auch behalten dürfen.«
    Die Hand, mit der Lucian das Schwert umklammerte, fing an zu zittern – die Wut staute sich in ihm auf. Nicht einmal der Graf wollte die Klinge also anfassen. Vermutlich wusste er, dass Schwerter, die Namen trugen, stets zu ihren Besitzern zurückkehrten.
    »Maeve sollte an deiner Seite reiten statt dieser Fremden«, herrschte ihn Ferran de Barca an. »Meine Tochter wurde im Konvent der Sieben zur Hexe ausgebildet, lange bevor Ravenna auf der Bildfläche erschien. Du hattest meiner Tochter einen Eid geschworen! Oder standest wenigstens im Begriff, es zu tun, als … an dem Tag, an dem sie starb.«
    In der Stube wurde es so still, dass jeder den zitternden Atemzug des Grafen hören konnte. Ferrans Hand verkrampfte sich um den Silbergriff des großen Schwerts, das an seiner Seite hing. Lucian bemerkte es, aber er unternahm nichts. Er stand nur da und wartete ab. Die Hand des Grafen bebte, rutschte schließlich vom Heft und hing schlaff an seiner Seite herab. Tränen standen in seinen Augen – und in den Augen jedes Mannes und jeder Frau, die Maeve gekannt hatten.
    »Mir liegt nichts an Rache«, stieß Ferran de Barca endlich hervor. »Aber vergeben kann ich diesen Mord niemals, weder dem Mörder noch denen, die bloß danebenstanden und nichts taten, um Maeve zu retten. Wir reiten in Kürze ab. Was euch beide angeht, so treffe ich eine Entscheidung: Ihr bleibt hier – ihr und eure seltsamen Begleiter. Da ihr uns nichts weiter zu sagen habt, werdet ihr in der Schmiede eingesperrt. Wir begleiten Vadym und seine Freunde bis zum Startplatz des Rennens. Dort finden wir zweifellos heraus, was hinter diesem Aufruhr steckt. Für euch ist das Spiel jedoch vorbei.«
    Lucian warf Ravenna einen Blick zu.
    Sie zog ihre Brauen zornig zusammen, die Lippen waren zu einem Strich aufeinandergepresst. Die Russen grinsten vom Tisch herüber. Offenbar konnte Vadym es kaum abwarten, dass er sich auf ein Handgemenge einließ, bei dem er nur unterliegen konnte. Auch die feindlichen Soldaten starrten ihn an. Sogar das Filmteam hatte sich aufgerafft.
    »Was soll ich tun, Ravenna?«, fragte er und gab seiner Stimme einen betont ruhigen Klang. »Du bist die Hexe, du entscheidest. Wenn du es wünschst, kämpfe ich dir den Weg bis zum Startplatz dieses Rennens frei.«
    Doch sie schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht wert, Lucian. Auf keinen Fall. Außerdem bin ich überzeugt, dass Ferran de Barca seine Grafschaft und seine Untertanen verlieren wird, wenn er glaubt, dass Vadym das Rennen macht. Denn das wird unser russischer Freund nicht. Das sieht der Spielplan nicht vor.«
    Bedächtig lockerte Lucian seine angespannten Schultern. Mit einer steifen Geste verbeugte er sich vor dem Grafen. »Sie hat recht. Denkt an die Worte meiner Hexe, wenn Ihr verliert.«
    Ferran de Barca erwiderte nichts. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich an seine Begleiter. »Macht euch bereit!«, befahl er. »In einer halben Stunde reiten wir ab.«
    Dann machte er kehrt und stapfte zur Tür.
    Lucian ließ sich wieder auf die Bank fallen. Er stützte die Arme auf das Fensterbrett, starrte in den sonnendurchfluteten Hof und versuchte, nicht an den Tag zu denken, an dem er Maeve verloren hatte. Nach einer Weile kam Ravenna zu ihm und drückte ihm wortlos einen dampfenden Becher in die Hand.
    Wenigstens ließ man ihnen die Zeit, etwas zu essen und sich die Spuren des gestrigen Ritts abzuwaschen. Anschließend führte man sie über den Hof, als wären sie Verbrecher. Die Feuer, die Beliar am Vorabend angezündet hatte, waren heruntergebrannt, die verkohlten Stellen dampften. Stiefelabdrücke und Hufspuren übersäten den Schlamm.
    Am Eingang des Turms befahl ihnen Cezlav, sich mit dem Gesicht zur Mauer zu drehen, die Hände über den Kopf zu heben und gegen die Wand zu stützen. Lucian warf einen Blick auf ihre Begleiter. Er trug Cor am geöffneten Schwertgurt über der Schulter. Doch sie waren von Dutzenden Bewaffneter umringt. Außerdem trug Cezlav den Revolver im Gürtel – zwar verborgen unter dem Mantel, aber er war da.
    Lucian biss die Zähne zusammen und gehorchte. Es bereitete den Russen sichtlich Vergnügen, die beiden

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