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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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eine Plattenrüstung, allerdings ohne Helm. In seinen Mantelstoff war das Wappen der de Barcas gewebt: die Kammmuschel. Lucian wurde nervös. Der Graue Löwe war ein gefährlicher Gegner, ein Mann, der alle Register politischer Ränke beherrschte und auch vor Verrat nicht zurückschreckte.
    »Wir wissen, wer dieser Spielmacher ist«, fuhr der Graf fort. »Und wir wollen ihn hier nicht haben. Genauso wenig dulden wir den König und seine Hexen in diesen Bergen. Das ist unser Reich. Also antwortet mir: Was habt ihr hier zu suchen – ihr alle?«
    Niemand gab ihm eine Antwort. Ferran de Barca verschränkte die Arme und blickte auf Lucian herab.
    »Was soll ich mit euch machen? Antworte mir, Krähensohn. Was soll ich mit dir und deiner Hexe tun? Euch laufen lassen? Im Handumdrehen würdet ihr euch König Constantin und seinen Leuten anschließen. Soll ich euch hier zurücklassen? In diesem Fall wärt ihr euren Feinden wehrlos ausgeliefert. Und ich bin kein Mörder.«
    »Ausgeliefert? Vielleicht. Wehrlos? Auf keinen Fall«, murmelte Lucian. Unwillkürlich schloss er die Hand um die Lederscheide. Das Schwert war mehr als nur ein Gegenstand. Die Klinge wies ihn als einen Mann des Königs aus, als Angehörigen eines Ordens, der den weißen Kräften diente. Und nun trug das Schwert sogar einen Namen.
    »Es ist wahr«, entgegnete er. »Ich würde zu meinem König reiten, wenn ich könnte. Nehmt uns mit – dann wisst Ihr wenigstens, wo wir sind. Wenn Ihr uns hingegen hier einsperrt, können wir uns nicht gegen die Banditen verteidigen. Gestern Abend wolltet Ihr uns noch vor den Kopfgeldjägern schützen.«
    »Gestern Abend hatte ich auch erwartet, dass du mich über alles aufklärst«, erwiderte der Graf zornig. »Du willst mich begleiten? Gewiss nur, um mir bei der nächsten Gelegenheit in den Rücken zu fallen! Ich weiß, worum es bei dieser Wette geht. Jeder hier weiß es!« Ferran de Barca atmete schwer. »Euer Ritt versetzt die Bewohner dieser Berge in helle Aufruhr. Ich trage die Verantwortung für die Menschen in diesem Land. Mein Haus sichert den Frieden und die Ordnung. Achtzehn Jahre – seit achtzehn Jahren herrschte hier Ruhe. Bis dein Vater nach Carcassonne zurückkehrte! Und dann Beliar und zuletzt du. Hast du überhaupt eine Vorstellung, was auf den Straßen los ist? Tausende haben sich auf den Weg gemacht! Tausende Narren und Glücksritter, die glauben, sie könnten Macht und Ruhm erlangen, wenn sie deiner Hexe nacheifern. Mindestens ebenso viele Wegelagerer lauern am Straßenrand, weil sie es auf die Belohnung abgesehen haben. Sie töten Unschuldige, machen Jagd auf Frauen, die Ravenna nur im Entferntesten ähnlich sehen. Und der Rest meiner Untertanen verkriecht sich in den Häusern und fürchtet sich vor der Weißen Hexe. Ihr habt einen verfluchten Aufstand angezettelt!«
    Im Sitzen schaute Lucian zu ihm auf. Er stemmte die Schwertspitze zwischen den Füßen auf die Dielenbretter, die Finger um das Mundblech verkrampft. Widerstand war Wahnsinn – ein sehr kurzer Wahnsinn noch dazu. Das war ihm klar. Trotzdem wollte er nicht klein beigeben.
    »Wir sollen also wirklich hierbleiben? Das können Sie nicht machen!«, protestierte Ravenna. »Ich habe das Recht, an diesem Wettkampf teilzunehmen.«
    Der Graue Löwe musterte sie. »Vadym berichtete mir, dass du dich freiwillig für das Duell gemeldet hast. Ist das wahr?«
    Sie presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Ja, das stimmt. Aber das gilt auch für Vadym. Ich wollte doch nur …«
    »Man spielt nicht mit Magie«, fiel ihr der Graf ins Wort. »Schon gar nicht um Geld und erst recht nicht, wenn es um die Gabe der Tormeisterin geht. Der Strom erhält alle am Leben, die über ein zauberisches Talent verfügen. Und genauso schnell tötet er uns auch. Hast du das nicht gewusst? Unsere Gabe ist nichts weiter als ein Funke, eine winzige Ader des Stroms. Was wird wohl geschehen, wenn man uns diese Ader aus dem Leib reißt?«
    Sie starrte den Grafen an. Im Morgenlicht wirkten ihre Augen beinahe durchsichtig, grau wie Eis. »Sie haben auch eine Gabe? Tatsächlich?«, fragte sie und beantwortete ihre Frage gleich selbst: »Aber natürlich. Sie sind Maeves Vater. Lucian erzählte mir, dass sie eine große Hexe war. Es tut mir leid, dass sie tot ist. Wirklich. Aber er kann nichts dafür. Er trägt keine Schuld an ihrem Tod.«
    »Ravenna!«, fauchte Lucian. Mit einem Ruck stand er auf, was im ganzen Raum hektische Bewegungen auslöste. Hände griffen zu den

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