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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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fragte Lucian gereizt dazwischen.
    »Allerdings«, brummte der Kameramann. »Er hat auch ein Schwert bei sich. Blank gezogen. Also, mir gefällt das nicht.«
    »Jetzt beugt er sich aus dem Sattel und sucht den Boden ab«, bemerkte Claude. »Vielleicht hat er was verloren.«
    »Nein – er folgt unserer Spur«, widersprach Thierry. Dann fluchte er. »Jetzt kommen auch die anderen zu uns herunter, einer nach dem anderen.«
    »Wie Perlen auf einer Schnur«, sagte Claude mit halb geschlossenen Augen, als wolle er den Anblick auf ein eingebildetes Filmmedium bannen.
    »Wie viele sind es?«, fragte Lucian. Er bewegte die Finger an Cors Griff und schätzte voller Unbehagen seine Chancen ein. Der Eingang des Turms bot ihnen zwar Deckung. Aber die Enge behinderte ihn auch, und die verletzte Hand bereitete ihm Sorgen.
    »Keine Ahnung«, sagte Claude. »Vierzehn. Sechzehn vielleicht. Wenn Sie mich fragen: Das sind Gesetzlose. Wie die Typen, die uns gestern Abend den Weg versperren wollten. Die tragen alle lange Mäntel, die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen. Abgerissene Gestalten. Ziemlich furchteinflößend.«
    »Der vorderste Reiter kommt immer näher«, warnte Thierry. »Ein finsterer Bursche. Seine linke Gesichtshälfte ist entstellt. Völlig zerschmettert, würde ich sagen. Sieht übel aus. Außerdem fehlt ihm ein Auge.«
    Weiter kam er nicht, denn Lucian packte ihn an der Kleidung, zerrte ihn zur Seite und beugte sich vor, bis er den Reiter sah. Dann stieß er das Schwert zurück in die Scheide und umklammerte das Gitter.
    »Ramon!«, schrie er. »Ramon – hier drüben! Hier sind wir! Wir sitzen fest!«
    Der einäugige Reiter zuckte zusammen und hob den Kopf. Dann zog er sein Pferd herum, aber er galoppierte nicht etwa herbei – er näherte sich betont langsam und schlenkerte dabei mit den Beinen.
    »Tja, das sehe ich, Lucian«, rief er, sobald er in Hörweite war. »Du sitzt tatsächlich in Jodoks Schmiede fest. Wie ist es denn dazu gekommen? Und wo ist deine Hexe? Ravenna die Tormagierin. Jetzt sag bloß, sie kriegt das Schloss nicht auf!«
    »Nein, kriegt sie nicht«, erwiderte Lucian. »Jedenfalls nicht so schnell, wie es nötig wäre. Hör zu, Ramon: Wir haben wirklich keine Zeit für Späße. Unsere Gegner sind uns vorausgeritten. Wir müssen sie einholen, bevor sie in das Rennen starten. Außerdem dürfte Velasco jeden Augenblick hier auftauchen.«
    Ramon grinste breit, was sich jedoch nur auf der gesunden Seite seines Gesichts bemerkbar machte. Die zerstörte Hälfte war von Narbengewebe überwuchert, ein Andenken an einen missglückten Zweikampf.
    Besorgt musterte Lucian die Gestalt des Freundes. Ramons Mantel war zerlumpt, die Stiefel dreckig bis hinauf zu den Knien und die Hose über dem Oberschenkel mit nachlässigen Stichen geflickt. Das Pferd des jungen Ritters war so abgemagert, dass man die Rippen zählen konnte. Allein Ramons Waffen glänzten – wie jeder Landstreicher pflegte er zuerst das, was ihn am Leben erhielt.
    Sein Lächeln verblasste, als sein Blick auf Lucians geschwollene Finger fiel, auf das Gelenk, an dem der Ring fehlte.
    »Was ist passiert?«, fragte er, während er die Zügel anzog.
    »Velasco verfolgt uns«, warnte Lucian erneut. »Er hat ein Kopfgeld auf uns ausgesetzt. Soeben ist ein Bote auf dem Weg zu ihm, um ihm mitzuteilen, wo wir sind. Und er hat den Kristall. Terra magyca. Mit diesem Ding könnte er uns alle vernichten.«
    »So viel Ärger«, brummte Ramon. »Und das in nicht einmal drei Tagen. Einen solchen Wirbel könnte selbst der Teufel nicht veranstalten.«
    Während der junge Ritter sprach, schwang er ein Bein über den Hals seines Pferdes, glitt zu Boden und humpelte zum Turm. Offenbar verbarg die geflickte Hose eine Verletzung. Er streckte beide Arme durch das Gitter, eine warme, willkommene Geste, die Lucian erleichtert erwiderte – bedeutete die Umarmung doch, dass die sieben Jahrhunderte, die ihn in Ravennas Welt von seinen Freunden getrennt hatten, endlich hinter ihm lagen. Staubwolken stiegen von Ramons Mantel auf, als sie einander auf die Schultern klopften. Der Geruch von Pferdefell, sonnenwarmem Eisen und Leder, die raue Oberfläche von Ramons Kettenhemd und der herzlich zupackende Griff – all das vermittelte ihm das Gefühl, wieder zu Hause zu sein.
    »Von denen droht uns keine Gefahr?«, erkundigte sich Thierry, den Blick misstrauisch auf Ramons abgerissene Gestalt gerichtet. »Ganz sicher? Sind das etwa Freunde von Ihnen?«
    »Keine Gefahr«, bestätigte

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