Tore der Zeit: Roman (German Edition)
nichts«, tröstete Lucian. »Mit Ghosts Hilfe können wir das Gitter sicher aufsprengen.«
Sie stand so dicht vor ihm, dass er ihre Wärme spürte. Sie lächelte. Er zögerte, unsicher, ob ihr seitlich geneigter Kopf als Einladung gemeint war. Sie hatten noch keine Zeit gehabt, sich auszusprechen und die Probleme zwischen sich zu bereinigen. Schwerwiegende Probleme, die ihre Beziehung ernsthaft auf die Probe stellten.
»Es tut mir leid«, murmelte er. »Ich weiß nicht, ob du mir je verzeihen kannst. Keine Ahnung, ob ich es könnte. Und ich weiß nicht, was aus mir werden soll, wenn du es nicht schaffst.«
Sie runzelte die Stirn. Mit dem Rücken lehnte sie sich an das Gitter. »Ich lag heute Nacht lange wach«, vertraute sie ihm an. »Die ganze Zeit über habe ich mich gefragt, was dich glücklich machen würde. Wenn man jemanden liebt, möchte man, dass diese Person glücklich ist. Wenn wir das nicht schaffen, dann wird nichts aus uns beiden.«
»Du«, sagte Lucian. Ravenna hob die Augenbrauen. » Du machst mich glücklich.« Behutsam fasste er sie am Kinn und legte die Lippen auf ihren warmen, weichen Mund.
Sie wirkte überrascht. Dann schlang sie ihm die Arme um den Hals. Sie küssten sich atemlos und hungrig und kosteten diesen wunderbaren Moment aus, den sie endlich einmal ganz für sich alleine hatten.
Bis Ghost sich plötzlich aufbäumte und quer über den Hof galoppierte.
Lucian ließ Ravenna sofort los und schob sie hinter sich. Flach an das Mauerwerk geschmiegt, zog er das Schwert und warf einen Blick auf die Straße. Oben auf dem Damm näherten sich Reiter. Es war ein ganzer Pulk, und sie kamen schnell heran. Hastig zog er sich tiefer in den Schatten zurück und verwünschte die Gewissenlosigkeit des Grafen, der sie in diese Lage gebracht hatte. Jäger oder Gejagte – im Augenblick konnte er nur hoffen, dass die Reiter weiterzogen.
»Schhhh!«, warnte Ravenna, als die beiden Filmemacher aus der Schmiede auftauchten. Thierry umklammerte eine Stange, die Halterung von irgendetwas, und Claude schleppte eine Kette. Beim Gehen schlug sie ihm rasselnd gegen die Schienbeine.
»Es gab kein Seil«, keuchte der Kameraassistent. »Zumindest keines, das nicht geborsten war. Aber das hier tut es auch. Ist vielleicht sogar besser, wenn Sie das Tor aus den Angeln reißen wollen.«
»Still! Seien Sie leise! Vielleicht bemerken uns die da oben nicht und reiten einfach weiter!«, flüsterte Ravenna.
Aber ihre Hoffnung wurde durch den großen Schimmelhengst zunichtegemacht. Mit einem schrillen Wiehern stürmte Ghost den Reitern entgegen. Willow und die anderen Pferde hinter der Scheune antworteten. Sie bewegten sich unruhig, konnten sich aber nicht losreißen.
»Dort hinüber – schnell«, befahl Lucian den beiden Filmemachern, während das Hufgetrappel, das Schnauben und das Klirren der Ausrüstung lauter wurden. »Wir halten diese Gittertür um jeden Preis. Ravenna, du bleibst im Hintergrund.«
»Aber …«, sagte sie.
»Nein«, fiel Lucian ihr ins Wort. »Keine Widerrede. Wenn das Velasco ist … ich will keine Wiederholung von Maeves Schicksal erleben. Nicht noch einen Mord an jemandem, den ich liebe. Geh weiter nach hinten, wo du Deckung hast. Falls es nicht anders geht: Benutze das Tor in der Schmiede! Flieh zu Jodok und erzähl ihm, was passiert ist. Er wird dir weiterhelfen.«
Zögernd gehorchte sie ihm, schüttelte aber gleichzeitig den Kopf. Ihre Lippen bewegten sich in stummem Protest. An ihrer Stelle rückten Thierry und Claude nach vorn zum Gitter. In diesem Augenblick war Lucian froh um diese Gefährten, die ihm das einundzwanzigste Jahrhundert beschert hatte. Denn die beiden Dokumentarfilmer besaßen Mut.
»Behaltet die Reiter im Auge!«, wies er sie an. Mit einem Arm befreite er sich von dem lästigen weißen Mantel. Aber das Kettenhemd funkelte in der Sonne und zwang ihn, in Deckung zu bleiben. »Sagt mir, was sie tun. Durchaus möglich, dass sie zuerst zum Haus gehen. Falls sie nichts von der Wette wissen, haben sie es vielleicht nur auf die Pferde abgesehen.«
»Tja – sieht aus, als hätten wir Pech. Der erste Reiter verlässt den Straßendamm und nähert sich der Schmiede«, berichtete Claude, der aufmerksam zwischen den Gitterstäben hindurchspähte. »Er ist ziemlich vorsichtig. Schau, Thierry, diese Einstellung sollten wir uns merken. Und dann Schnitt auf Ravennas Ritter, nur Schulter, Halbprofil und den Arm mit einem Stück der Schwertklinge.«
»Ist der Reiter bewaffnet?«,
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