Tore der Zeit: Roman (German Edition)
hatte nur Yvonnes Fehler vor Augen gehabt, ihr leichtsinniges Verhalten, die Gefahr, in die ihre Schwester alle gebracht hatte. Aber jetzt wusste sie, wie Yvonne sich gefühlt hatte. Vergiftet von der Schwarzkunst, verlassen von allen Freunden und von der eigenen Schwester verdächtigt – sie hatte gar keine andere Wahl gehabt, als sich Beliars Fürsten anzuschließen.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«
Ravenna hob den Kopf und starrte den Reiter an, der neben ihr aufgetaucht war.
»Sie weint! Ravenna weint! Um Himmels willen – Claude, ein Taschentuch.«
Der Tontechniker durchwühlte alle Taschen. Schließlich förderte er ein Papiertaschentuch zu Tage. Thierry nahm es, entfaltete es mit einem Ruck und reichte es ihr.
»Danke«, sagte sie, was – durch das Taschentuch gesprochen – ziemlich undeutlich klang. Darlach drehte noch einmal den Kopf, als sie sich lautstark schnäuzte. Aber der Ritter der Maikönigin erhob keine Einwände dagegen, dass Don Quijote und Sancho Panza neben ihr ritten.
»Geht es wieder? Fühlen Sie sich besser?«, erkundigte sich Thierry. Dann schüttelte er den Kopf. »Also, ich muss schon sagen! Ihr Freund da vorne behauptete zwar, dass das hier alte Bekannte sind. Aber seien Sie mal ehrlich: Behandelt man so eine lange vermisste Freundin?«
»Ich habe einen Fehler gemacht«, gestand Ravenna und ließ das Taschentuch unter die Pferdehufe fallen.
»Ich bitte Sie«, schnaubte der Filmemacher. »Fehler machen wir schließlich alle.«
Ravenna holte tief Luft. Ein warmes Gefühl durchströmte sie und ließ einen Teil ihrer Sorgen verschwinden. Dass ihr ausgerechnet das Kamerateam Trost spendete, fand sie rührend und irgendwie komisch.
»Es ist ein ziemlich großer Fehler«, sagte sie.
Der Kameramann schob die Wollmütze hoch, legte seine Stirn in Falten und kratzte sich am Kopf. »Ich habe über das nachgedacht, was Sie heute Morgen sagten«, brummte er. »Dass Monsieur Le Malin ein Zeitreisender ist. Ein komischer Gedanke. Aber wenn das stimmt, dann sind wir auf eine Sensation gestoßen, wie sie größer kaum vorstellbar ist.«
Ravenna nickte. »Zu blöd, dass man Ihnen Ihre Ausrüstung abgenommen hat. Ich schätze, es wird nicht mehr lange dauern, bis Beliar die Maske fallen lässt.«
Sie hatte mit einer Flut von Klagen und Beschwerden gerechnet. Stattdessen tauschten die beiden Filmemacher einen Blick.
»Was?«, fragte sie, sofort eine Spur nervöser. »Was ist?«
»Die Sache ist die«, fing Claude an. »Wir haben einen Teil unserer Ausrüstung bereits wiedergefunden. Cezlav hatte sie in sein Gepäck gesteckt, nachdem er uns ausgeraubt hatte. Nach dem Kampf, da haben wir sie wieder an uns genommen.«
»Und?«, fragte Ravenna. Sie spürte, dass ihr der Techniker noch mehr zu sagen hatte.
»Nun, bei den Sachen ist eine hübsche, kleine Spielerei«, fuhr Claude fort. »Eine Minikamera. Eigentlich dachten wir, dass wir sie zwischendurch am Halfter eines Pferdes befestigen. Oder an einem Schwertgriff, um ein paar bewegte Aufnahmen zu machen. Ungewöhnliche Blickwinkel – Sie verstehen schon. Na ja, jedenfalls dachten wir uns …«
»Weiter«, zischte Ravenna, als der Tontechniker eine Pause machte. »Was dachten Sie?«
»Wir dachten uns, wir befestigen sie an Ihnen «, gestand Claude. »Sie sind die Hauptperson. Sie werden das Rennen machen oder scheitern. Wenn Sie die Kamera unmittelbar bei sich hätten, wären die Zuschauer sozusagen hautnah dabei.«
Sachte straffte Ravenna die Zügel. Willow schnaubte und schlenkerte mit dem Kopf, trabte aber gehorsam hinter den zuckenden Schweifen der anderen Pferde her.
Ihre Finger zitterten vor Aufregung. Die beiden Filmleute ahnten offenbar nicht, welche Chance sie ihr gerade anboten. Eine winzige, versteckte Kamera, ein stummer Zeuge, der von nun an überall dabei war und aufnahm, was sie den Zuschauern zeigen wollte … es war das beste Angebot, das sie seit Langem erhalten hatte.
Sie atmete betont langsam aus. »Meinetwegen«, sagte sie und streifte das Haar scheinbar gelangweilt über die Schulter. »Aber passen Sie auf, dass man nichts davon sieht.«
Claude beugte sich zu ihr herüber, fummelte an ihrem Kragen herum und befestigte das Gerät auf ihrer Schulter. Es war nicht länger und auch nicht dicker als ihr kleiner Finger. Der Pelzkragen verdeckte einen Teil davon, und wenn sie dann noch die Kapuze aufsetzte, war die Kamera so gut wie unsichtbar.
»Das Ding deckt einen Teil Ihres Gesichtsfelds ab. Das Ansteckmikro sorgt
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