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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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Velascos Opfern. Sie waren in einem Spiel gegeneinander angetreten, in einer gigantischen Rätselschlacht zwischen Hexen, Magiern und dem Teufel. Und nun war Vadyms Freund tot.
    Er wischte den Käfer von Cezlavs Schläfe. Behutsam zog er den Mantel über das bleiche Gesicht und wischte sich anschließend die blutigen Hände mit feuchten Blättern ab.
    Seine Ohren hatten offenbar tatsächlich Schaden genommen, denn als er sich aufrichtete, stieß er mit dem Rücken gegen ein Pferd. Er hatte nicht gehört, dass sich ein Reiter näherte. Ramon saß im Sattel und starrte mit gefurchter Stirn auf ihn herab. Das Haar, das er auf einer Seite länger wachsen ließ, fiel ihm wirr über die Narbe. Ein neuer Riss klaffte in seiner Hose, und zu zahlreichen getrockneten Schlammspritzern waren frische Flecken gekommen.
    Ravenna hielt neben ihm. Sie saß auf ihrer Stute, kaum weniger bleich als sein Freund.
    »Ist er tot?«, fragte Ramon.
    Lucian nickte. Stiche durchzuckten schmerzhaft seinen unteren Rücken, aber er konnte stehen, gehen, denken und sprechen. »Was war das?«, stieß er hervor. »Dieser Stoß, der uns alle aus dem Sattel fegte. Was war das für eine Magie?«
    Überall unter den Bäumen und auf der Straße waren Reiter zu Fuß unterwegs, um die verstörten Pferde einzufangen. Ein Mann wälzte sich am Boden, heulte mit zerschmettertem Fußgelenk – einer aus Velascos Gefolge. Die meisten Angreifer waren geflohen, bis auf eine Gruppe, die neben dem Straßendamm kniete, die Hände auf dem Hinterkopf verschränkt. Claude saß in ihrer Nähe auf einem Stein. Thierry kümmerte sich um die oberflächliche Kopfwunde seines Tontechnikers.
    Lucian schüttelte den Kopf.
    »Das war Acencræf t « , sagte Ravenna da. Ihre Stimme klang ganz flach und dünn, und ihre Augen wirkten noch größer als sonst. Sie sah verstört aus . »Die Kraft, anderen durch den bloßen Willen Schmerz zuzufügen. Ein uraltes und sehr wirksames Mittel, wenn man sich gegen Schwarzmagier verteidigen muss.«
    Sie starrte ihn durchdringend an. Halt jetzt bloß den Mund – diese Warnung schien sie ihm übermitteln zu wollen. Vielleicht hatte sie gesehen, was er vorhatte.
    » Du ? Du warst das?« Lucian packte sie über dem Knie und langte nach den Zügeln, als Willow vor ihm zurückscheute. »Cezlav ist tot«, herrschte er sie an. »Er ist tot – verstehst du das? Ein Unbeteiligter, ein Gast bei diesem Wettkampf!«
    »Habe ich ihn vielleicht umgebracht?«, murmelte Ravenna. Sie starrte auf den zugedeckten Leichnam. »Ich besitze keinen Revolver. Außerdem war er alles andere als unbeteiligt. Er hat uns angegriffen.«
    Sie wirkte durcheinander, genauso wie sich jemand fühlen sollte, der Schwarzkunst angewendet hatte. Innerlich verfluchte Lucian den Tag, an dem er sie zum ersten Mal getroffen hatte. Er hätte ihr fernbleiben sollen, hätte sie in Ramons Obhut geben sollen, während er sich in einer einsamen Turmkammer von Constantins Burg wegschloss, bis ihre Zeitreise beendet war. Denn um ihn zu schützen, um ihn davor zu bewahren, vor seinen Freunden sein wahres Gesicht zu offenbaren, hatte sie zum Äußersten gegriffen.
    »Habe ich Cezlav vielleicht gesagt, er soll zu deinem Vater reiten und uns diese Meute auf den Hals hetzen?«, fuhr Ravenna fort. »Ist es meine Schuld, dass er unbedingt reich werden wollte? Nein. Ich habe unsere Gegner bloß ein bisschen erschreckt. Also hör auf, mich so anzuschreien.«
    »Weißt du nicht mehr, was mit Yvonne passiert ist? Oder mit der Marquise Elinor?«, fuhr Lucian sie an. »Schwarze Magie verändert einen Menschen! Und jetzt verrate mir: Ist es das wert? Ist das hier eine halbe Million Euro wert?«
    Er deutete auf das blutige Laub, die Gefangenen, die verschwitzten Pferde.
    Seine Hexe funkelte ihn wütend an. Ich habe dasselbe getan wie du, als du die Aaswölfe verjagt hast – dieser Satz stand unausgesprochen zwischen ihnen. Ich habe unser Leben verteidigt. Aber kein Wort davon kam über ihre Lippen.
    »Wir reiten weiter«, warf Ramon da ein. »Ravenna, du kommst mit mir. Du darfst von jetzt an mit niemandem mehr sprechen. Nicht mit den Hexen und nicht mit deinem Ritter. Es tut mir leid. Aber bis die Sieben entschieden haben, was aus dir werden soll, stehst du unter Bewachung.«
     

 
    Chaos
    Das Zusammentreffen mit ihren Freunden aus dem Mittelalter verschaffte Ravenna mit Abstand die kürzeste Wiedersehensfreude, die sie je in ihrem Leben verspürt hatte. Die Hexen hatten sie gefunden, hatten sie aus dem

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