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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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den Schatten verschwinden. »Bloß weil die Klinge jetzt einen Namen trägt, bin ich noch lange kein Anwärter auf den Thron. Mach dich nicht lächerlich, Ramon. Genauso gut könntest du derjenige sein, der die Krone erbt. Ich bin sicher, Constantin wollte das sogar.«
    Die Nachfolge des Königs – darum stritten sie sich also. Yvonne schob sich einen Fußbreit näher an den Durchgang heran. Nun konnte sie auch die anderen Ritter sehen. Sie hatten sich um die Totenbahre versammelt. Chandler schritt in dem kreisrunden Raum auf und ab. Der Luftzug ließ die Kerzen flackern, wenn er in die Nähe der Dochte kam. Der Ritter Darlach kniete am Fußende des Totenbetts, reglos wie eine Statue. Der rothaarige Späher Marvin hockte auf dem Fensterbrett und säuberte sich die Fingernägel mit einem Dolch.
    »Was hat Constantin gesagt?«, forschte Ramon. »Was sagte er, bevor er starb? Hat er einen Nachfolger benannt?« Lucian schüttelte den Kopf. »Du hast die ganze Zeit mit ihm geredet. Irgendetwas muss er doch gesagt haben.«
    Wieder ein Kopfschütteln. Ramon rieb sich über das Gesicht. »Vielleicht gibt es irgendwo ein Schriftstück. Ein Testament. Weiß jemand, ob Constantin seinen letzten Willen verfasst hat?« Offenbar hatte jeder der Anwesenden eine andere Meinung zu diesem Thema. Das Streitgespräch in der Kammer lebte wieder auf.
    »Warum werfen wir nicht eine Münze und knobeln aus, wer die Krone bekommt?«, ließ Marvin sich schließlich vernehmen.
    Empört begehrten die anderen Ritter auf. »Bist du irre geworden?«, schnaubte Chandler. »Eine Würfelrunde? Warum laden wir nicht auch noch unsere Gegner dazu ein?«
    »Gute Idee!« Grinsend ließ Marvin den Dolch in die Scheide am Gürtel gleiten. Als er die zornigen Gesichter seiner Freunde sah, hob er die Hände.
    »Man wird doch wohl noch einen Scherz machen dürfen«, murrte er. »Wir sitzen jetzt seit Sonnenuntergang hier. Diese Diskussion bringt uns nicht weiter. Der Thron darf nicht leer bleiben – wenigstens darin sind wir uns einig.«
    Der Späher schwang die Beine vom Fensterbrett. Yvonne schnappte nach Luft, als der Wolfshund zu seinen Füßen aufsprang. Hastig schmiegte sie sich gegen den Türrahmen. Der struppige Köter streckte sich und gähnte. Als Marvin mit dem Finger schnippte und gebieterisch in die Ecke zeigte, rollte sich der Hund wieder zusammen.
    »Es sollte ein Mann von untadeligem Ruf sein«, warf Darlach ein. »Der König des Ordens wacht über die Einhaltung der magischen Gesetze. Er beschützt den Zirkel der Sieben, berät ihn und begleitet ihn auf Reisen. Wenn sich unsere politischen Gegner auf dieses Amt Einfluss verschaffen, haben wir ein ernstes Problem.«
    Lucians Gesicht wurde eine Spur dunkler. Er senkte den Kopf.
    »Es sollte jemand sein, der weiß, was er tut«, brummte Marvin. »Damit wäre uns schon geholfen.«
    »Ganz genau«, nickte Ramon. »Deshalb schlage ich Lucian vor. Ich bin überzeugt davon, dass Constantin ihn bevorzugt hätte. Denn er weiß, mit wem wir es hier zu tun haben.«
    » Du solltest derjenige sein«, sagte der Späher zu Ramon. »Lucian ist Ravennas Gefährte. Er hat geschworen, mit der Tormeisterin zu ziehen, wohin sie auch geht. Du bist wenigstens hier. Ein König sollte bei seinen Leuten sein.«
    »Meine Hexe ist die Meisterin des Todes«, bemerkte Ramon scharf. »Möchtet ihr mir wirklich die Krone anvertrauen? Überleg dir das lieber nochmal, Marvin.«
    »Ich habe es mir überlegt«, gab der Gefährte der Heilerin Nevere zurück. »Und ich stimme für dich.«
    »Ich bin für Lucian«, sagte Chandler. Auch der schweigsame Darlach hob den Arm.
    »Wir sind noch lange nicht so weit, dass wir abstimmen könnten«, schnarrte Terrell. Er war der älteste Ritter in der Runde, ein hagerer, mit Narben übersäter Krieger, der sich nun aus der Dunkelheit ins Licht beugte. »Ihr wisst, was geschehen muss, wenn es zwei Kandidaten gibt: Dann entscheidet das Schwert.«
    »Nein!« Lucian und Ramon protestierten gleichzeitig. Ravennas Ritter hob den Kopf, und der Kerzenschein ergoss sich wieder über sein Gesicht. Yvonnes Herz klopfte verräterisch.
    »Auf keinen Fall«, widersprach Lucian. »Ramon ist mein bester Freund. Ich würde eher sterben, als auf ihn loszugehen. Du bist wohl verrückt geworden, Terrell.«
    »An deiner Stelle wäre ich mit solchen Schwüren vorsichtig. Es stirbt sich schnell in diesen Bergen«, knurrte der hagere Ritter. »Und du kennst das Gesetz. Wenn es keine Einigung gibt …« Vielsagend

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