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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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Ramon.«
    Ihre Stimme klang wie die einer Fremden. Lucian kauerte hinter ihr, erstarrt wie die Gestalt auf dem Boden. Bedrückt fragte sie sich, wen der Fluch des Hexers härter getroffen hatte: ihn oder Constantin. Lucian musste fast am Gefühl der Schuld ersticken. Die Tatsache, dass er der Sohn eines Schwarzmagiers war, hatte Constantin den Tod gebracht.
    Verrückterweise fing Ramon an zu lachen. »Was redest du denn da? Seit wann bist du eine Heilerin? Geh mir aus dem Weg, Ravenna. Wir können solche Mätzchen jetzt wirklich nicht brauchen.«
    »Constantin ist tot«, sagte sie wieder. Als sie sich umschaute, stellte sie fest, dass alle anderen Anwesenden das Ausmaß der Tragödie inzwischen begriffen hatten. Nur Ramon nicht, vielleicht weil er der Wächterin des gefahrvollsten Siegels diente und dem Tod bereits einmal von der Schippe gesprungen war. Vielleicht hatte er auch noch nie einen Versteinerungsfluch gesehen. Wenn man nicht allzu genau hinschaute, wirkte Constantin wie ein blutleeres Unfallopfer, weiß vom Schock.
    »Was … was redest du denn da?«, stammelte Ramon. Wenn es nicht ihre Worte waren – das Schweigen seiner Freunde drang endlich zu ihm durch. Auf seiner schönen Gesichtshälfte zeichnete sich Fassungslosigkeit ab. Er schien nicht zu begreifen, dass nach dem Ende des Konvents nun auch das Ende des Königreichs der Sieben gekommen war. »Constantin ist nicht … er wird doch nicht … er kann einfach nicht …«
    »Er ist gestorben«, sagte Ravenna leise. »Eben, als du die Trage holen warst, machte er seinen letzten Atemzug. Es tut mir leid.«
    Sie sprach die Wahrheit. Und sie würde sie so lange wiederholen, bis er sie verstanden hatte. Denn nur wenn man die Wahrheit kannte, wusste man auch, wen man zur Rechenschaft ziehen musste.
     

 
    Burgfrieden
    Bei Anbruch der Dämmerung hatte das Wetter umgeschlagen. Nebelfetzen wehten um die Bergfriede und verhüllten das magische Tor. Es war kalt. Und still. Die meisten Menschen hatten ihre Unterkünfte aufgesucht, ernüchtert vom Ausgang dieses Tages. Lagerfeuer glühten am Fuß des Abhangs wie böse, rote Sterne.
    Yvonne war außer Atem. Alle paar Schritte musste sie stehen bleiben und auf ein Ende der Schmerzen warten. Sie war weit über der Zeit. Zwei Wochen oder drei – sie wusste es selbst nicht so genau. Ewig konnte sie die Geburt nicht mehr hinauszögern, nicht ohne Gefahr für sich und das Kind. Ausgerechnet unter diesen Umständen musste Velasco seine Rachepläne in die Tat umsetzen.
    Verdammter Idiot. Der Schlossherr von Carcassonne hatte mehr Schaden angerichtet, als er sich vorstellen konnte. Wie die Axt im Wald, dachte Yvonne verärgert. Dann stieg sie die letzten Meter zum Turm der Hexen hinauf.
    Neben den Treppenstufen standen zwei große Eisenkörbe. Unruhiges Feuer schwelte darin. Der Flammenschein beleuchtete eine Wand aus nacktem grauem Stein. Nicht einmal eine Schießscharte war zu sehen, geschweige denn ein Eingang. Das erste Fenster befand sich etwa zehn Meter über ihrem Kopf. Eine einsame Kerze flackerte in der Öffnung.
    Sie verzog den Mund. Ravenna hatte das Losungswort also herausgefunden. Vielleicht hatte ihre Schwester sogar erraten, dass sie die Parole vorgeschlagen hatte, wie so viele andere Aufgaben bei diesem Wettkampf. In ihrem Zimmer im Schloss von Carcassonne hatte sie Rätsel um Rätsel ersonnen: die Frage nach der Acencræft , die beide Kandidaten ziemlich aus der Fassung gebracht hatte. Die Jagd durch das Labyrinth der Katakomben und die Verhandlungen in Jodoks Schmiede – sich Ravennas Gesicht dabei vorzustellen, hatte den Spaß verdoppelt. Nur das Rennen war Velascos Idee gewesen. Und nun wusste sie auch, warum er diesen Vorschlag gemacht hatte.
    Mit einem Ächzen stützte sich Yvonne gegen den Turm. Man kann eine Hexe nicht gegen ihren Willen zu etwas zwingen. Mit diesen Worten hatte Beliar sie angebrüllt, als sie vorschlug, Ravenna sofort herauszufordern und nicht erst bis zum nächsten Morgen zu warten. Man kann eine Zauberin nicht zwingen, Magie zu wirken. Sie muss es aus freien Stücken tun, hatte er getobt.
    Lautstark hatte er Velasco zur Rede gestellt. Die Bemühungen von Wochen und Monaten standen auf dem Spiel. Der sorgsam ausgeklügelte Plan, der sich über siebenhundert Jahre spannte. Ravenna musste freiwillig an das Tor auf dem Montmago treten. Nur darauf kam es an. Nun hatten sie sie fast so weit, und da kam Velasco mit seiner dämlichen Vergeltung.
    Seltsamerweise geisterte ihr seitdem

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