Tore der Zeit: Roman (German Edition)
aufs Bett. Begierig küsste er sie vom Ohrläppchen abwärts bis zum Ansatz ihrer festen, weißen Brüste. Doch sie entkam ihm, indem sie sich unter ihm auf den Bauch drehte.
»Falls es Oprah Winfrey in dieser Zeitlinie überhaupt gegeben hat«, spann sie den begonnenen Gedanken fort, während ihre linke Hand mit dem Handy spielte. »Seit wir von dieser Reise zurückgekehrt sind, hat sich so viel verändert, dass ich es manchmal gar nicht fassen kann. Was wir letzten Mittsommer getan haben, hat die Geschichte verändert, Lucian!«
Er zuckte die Achseln. Im Gegensatz zu ihr hatte er keinerlei Vergleichsmöglichkeiten. Für ihn war dieses Jahrhundert ebenso gut wie jedes andere, und solange er mit seiner Hexe zusammen war, kümmerte ihn die Umgebung wenig. Im Gegenteil: Ravennas Zeitalter hielt so manche Bequemlichkeit bereit, auf die er ungern wieder verzichtet hätte. Beheizte Wohnräume zum Beispiel. Wasserbetten. Und Lichter, die man mit einem Händeklatschen ein- und ausschalten konnte. In Ravennas Welt gab es wesentlich mehr Magie, als sie zugeben wollte.
»Was muss ich tun, um dich auf andere Gedanken zu bringen?«, murmelte er. Gleichzeitig streifte er ihr Haar zur Seite und zog ihr die perlgraue Bluse aus. Von seinen Berührungen bekam sie Gänsehaut.
»Zehntausend Euro wären natürlich nicht schlecht, um die nächste Runde zu überstehen«, überlegte sie laut. »Soweit ich weiß, zahlt der Sender keinen müden Cent für Ausgaben während des zweiten Durchgangs. Wir bekommen dieses Zimmer und das mickrige Hotelfrühstück gestellt, aber das ist auch schon alles. Für alles andere – Métro, Taxis, Eintrittskarten – müssen wir selbst aufkommen. Und du hast Vadym gehört: Paris ist teuer.«
»Mhm«, brummte Lucian. Mit einer Hand streichelte er ihren Rücken und befasste sich gleichzeitig mit den Häkchen ihres schwarzen Büstenhalters. Eine vertrackte Angelegenheit auch das. Ravenna drehte sich auf den Rücken und strahlte ihn aus ihren rauchgrauen Augen an. Dann legte sie ihm den Finger auf die Lippen.
»Gib mir einen Augenblick. Nur einen Augenblick«, bat sie und ließ ihr Handy wieder aufschnappen. Die Nummer, die sie suchte, war im Kurzwahlspeicher angelegt. »Kommissar Gress bitte«, verlangte sie, als sich jemand meldete.
Lucian seufzte. Er rollte zur Seite und legte den Kopf auf den Arm. Es war spät. Die Show war erst gegen elf Uhr zu Ende gegangen, und es hatte eine Ewigkeit gedauert, ehe sie das Studio verlassen konnten. Von Beliar war seit dem Schlussapplaus keine Spur mehr zu sehen gewesen.
»Was soll das heißen, Gress ist nicht zu sprechen?«, hörte er Ravenna sagen. An den Bewegungen der Matratze spürte er, wie sie sich aufsetzte. »Für mich ist der Kommissar immer zu sprechen! Er hat mir seine Karte gegeben und gesagt, ich solle mich melden, sobald mir etwas Merkwürdiges auffällt. Und wissen Sie was: Viel merkwürdiger kann es kaum werden. Haben Sie heute Abend zufällig das WizzQuizz gesehen?«
Lucian hob den Kopf. Ravenna wirkte aufgebracht. Ihre Wangen waren gerötet, und ihr schönes langes Haar war ganz zerzaust.
»Ja, natürlich hat das Ratespiel etwas mit dem Verschwinden meiner Schwester zu tun! Der Moderator ist eindeutig ein Verdächtiger. Beliar, ganz genau. Monsieur Le Malin meinetwegen, wenn er sich so nennt. Ich weiß mit absoluter Sicherheit …«
Sogar Lucian hörte, wie der Gesprächspartner am anderen Ende lachte. Was der Polizist dann antwortete, war unschwer zu erraten: Bestimmt hielt er es für eine aberwitzige Idee, dass der Erfinder der Quizshow mit dem Verschwinden einer jungen Frau in Verbindung stehen könnte. Zumal er eine Studiohotline eingerichtet hatte, um in aller Öffentlichkeit nach Yvonne zu suchen. Beliars Plan war perfekt – er war an einem Ort wiedergekehrt, der ihm die größtmögliche Tarnung ermöglichte: im Fernsehen.
Ravenna ließ das Handy zuschnappen und warf es wütend auf die Kissen. »Gress ist beurlaubt«, fauchte sie. »Auf unbestimmte Zeit. Kann man sich das vorstellen? Der einzige Beamte, der sich wirklich Mühe gegeben hat, meine Schwester zu finden, wandert durch Tibet.«
»Gibt es dort einen magischen Platz?«, fragte Lucian ganz nüchtern. »Du weißt schon: Steinkreise, Hügelgräber, eine versunkene Stadt? Irgendetwas, das sie anziehen könnte? Schließlich hast du selbst behauptet, dass man Yvonne am ehesten an Kraftorten wiederfinden würde.«
Ravenna runzelte die Stirn. »Nun, Tibet ist voll von heiligen
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