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Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
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Studioleinwand. Ravenna grub die Finger unter die Kante ihres Sitzes. Zurufe aus dem Publikum mischten sich mit Applaus. Lucian gab dem Medium den Becher zurück und drängte sich durch die dicht stehenden Techniker und Kameraleute.
    »Andererseits wartet hier auch noch ein zweiter Koffer auf dich«, fuhr Beliar fort und legte die Hand auf den Deckel aus schwarzem Samt. »Niemand weiß, was er enthält, weder du noch ich noch sonst irgendjemand in diesem Studio. Nicht einmal das Medium hat eine Ahnung, denn der Inhalt formt sich durch alchemistisches Wirken, sobald der Koffer verschlossen wird.«
    Mit dem Daumen fuhr Beliar an den Kanten entlang. »Jetzt weißt du also, worum es geht«, sagte der Teufel. »Wählst du den durchsichtigen Koffer, erhältst du das Geld, und die Show ist vorbei. Falls du dich allerdings für den alchemistischen Koffer entscheidest« – er streichelte die samtige Oberfläche, wie man ein Haustier liebkost –, »geht das WizzQuizz in die nächste Runde. Dann übertragen wir live, während Vadym und seine Freunde versuchen, dir den Schatz wieder abzujagen. Darum wähle jetzt, Ravenna: Geld oder Magie!«
    Sie starrte auf seine Hände. Seine perfekt manikürten Finger verschwammen vor ihren Augen. Warum zögerte sie? Woher kam die plötzliche Unsicherheit? War nicht alles klar gewesen, als sie das Studio betreten hatte? Hatten sie und Lucian nicht vorher alles genau besprochen?
    Sie drehte sich um. Ihr Ritter war da. Er stand ganz in ihrer Nähe am Rand des Podests, ihr Weggefährte, der mit ihr durch dick und dünn ging, so wie er es versprochen hatte. Fragend neigte sie den Kopf, doch Lucian zuckte nicht mit der Wimper. Sie hatte das Spiel gegen den Favoriten gewonnen. Die Entscheidung lag ganz allein bei ihr.
    Sie schloss die Augen und ließ einige Atemzüge verstreichen. Mit dem dritten Auge versuchte sie, ins Innere des alchemistischen Koffers zu blicken, doch es war hoffnungslos. Was immer sich in ihm verbarg, blieb durch Magie geschützt.
    Als Ravenna die Augen wieder öffnete, lächelte Yvonne sie von der gegenüberliegenden Wand des Studios an. Ravennas Magen zog sich zusammen. Wegen ihr, wegen ihrer kleinen Schwester hatte sie das alles auf sich genommen. Es ging nur darum, Yvonne wohlbehalten wiederzufinden.
    Doch das würde nicht geschehen, wenn sie nun das Geld nahm. Plötzlich stand es ihr glasklar vor Augen: Wenn sie sich für den Geldpreis entschied, blieb Yvonne für immer verschollen. Dafür würde Beliar sorgen.
    »Ich wähle den alchemistischen Koffer«, sagte Ravenna und legte die Hand auf den schwarzen Samt, bevor sie ihre Entscheidung bereute. Die Kameras fuhren näher heran. Die Linsen richteten sich auf ihr Gesicht. Für Sekunden war es totenstill.
    Dann brach die Hölle los.
    Nur ein einziger Kandidat hatte bisher diese Entscheidung getroffen. Alle anderen hatten das Geld gewählt. Was bestimmt vernünftiger war, dachte Ravenna.
    In dem Tumult behielt Beliar als Einziger die Ruhe.
    »Verehrte Zuschauer, der erste Durchgang ist gespielt, aber das WizzQuizz ist noch nicht vorbei«, verkündete er mit einem triumphierenden Lächeln, während man nur ihn vor dem Logo der Show zeigte. »Sobald Ravenna herausgefunden hat, wie man den magisch versiegelten Koffer öffnet, beginnt die zweite Runde. Schalten Sie also wieder ein, wenn das Quiz der Zauberer weitergeht!«
     

 
    Das Teufelsmal
    Das Telefon klingelte. Lucian hörte das aufdringliche Geräusch bereits, während er die Tür ihres Hotelzimmers aufsperrte und Ravenna eintreten ließ. Sobald die Tür ins Schloss gefallen war, warf seine Hexe den Koffer aufs Bett und zog die hochhackigen Schuhe aus. Das Telefon verstummte. Doch einen kurzen Moment später fing es wieder zu klingeln an.
    Ravenna hob ab und murmelte etwas Undeutliches. »Im Ernst?«, fragte sie dann und lauschte einige Augenblicke. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Nein danke, kein Interesse«, erklärte sie und legte auf.
    »Wer war das?«, wollte Lucian wissen.
    »Irgend so ein Typ vom Radio. Wegen eines Interviews. Das fehlt mir gerade noch.« Sie ließ sich in den Sessel fallen. Düster starrte sie auf den Koffer. »Hast du eine Ahnung, wie man das Ding aufbekommt?«
    Lucian betrachtete den Koffer. Das Ding veränderte die Stimmung im Zimmer. Wie ein böses schwarzes Tier lag es auf der Tagesdecke.
    »Warum hast du ihn überhaupt mitgenommen?«, fragte er. »Ich meine … wäre es nicht besser gewesen, das Geld zu wählen? War das nicht

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