Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Tore der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Tore der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Nicolai
Vom Netzwerk:
Jahrmarkt zur Schau stellt.«
    Beliar warf ihm lediglich einen leicht amüsierten Blick zu.
    Ravenna trat zu der geöffneten Schatztruhe und klappte den Deckel zu, ohne einen Blick auf die Geldscheine zu werfen. »Ich wähle die alchemistische Truhe«, sagte sie und nahm das andere Kästchen. »Es ist doch eine alchemistische Truhe, oder?«
    Auf Beliars Zügen zeigte sich ein Grinsen. »Richtig, das ist es. Ein verhextes Schatzkästchen. Du weißt ja bereits, wie das geht: Du siehst zu, ob du die Kiste öffnen kannst, und schaust dir den Inhalt an. Er verrät dir alles über die nächste Aufgabe. Viel Spaß dabei. Und vergesst nicht: Diesmal sind Tod und Teufel hinter euch her.«
    Er ging zur Tür und pochte dreimal gegen das Holz. »Aufmachen!«, bellte er.
    »Ich habe keine Angst vor dir«, stieß Ravenna hervor. »Und vor Velasco auch nicht.« Sie musste das einfach loswerden.
    Beliar warf ihr einen Blick zu. »Sehr schön«, murmelte er. »Ich bin gespannt, ob das so bleibt. Denn zur Belohnung dürft ihr jetzt eure Familien wiedersehen.«
    Ravenna schrie und trat um sich, als die Wächter sie mit Gewalt von Lucian trennten. Aber die Männer, die auf Beliars Befehl in den Kerker stürmten, waren muskelbepackte, bärtige Kerle. Sie trugen Kettenhemden, wollene Umhänge und hatten runde Helme auf dem Kopf. Sie packten Ravenna einfach an den Armen und zerrten sie in den von Fackelschein erhellten Gang. Eine zweite Gruppe drängte Lucian gegen die Wand.
    Die Truhe fiel zu Boden. Ein Wächter hob sie auf und trug sie hinter Ravenna her. Hinter sich hörte sie Gerangel und Flüche, dann einen Schmerzensschrei, der zum Glück nicht von Lucian kam. Und schließlich hastige Schritte, die sich in eine andere Richtung entfernten.
    »Nein!«, schrie sie wieder und bäumte sich in den Händen ihrer Wächter auf. Sie beschimpfte die Soldaten und spuckte sie an, wünschte Beliar in die tiefste Hölle und verfluchte den Tag, an dem sie sich für das WizzQuizz beworben hatte. Sie tobte so lange, bis ihre Stimme brach und in raues Schluchzen überging.
    Die Wächter zerrten sie über mehrere Treppen nach oben. Im Eingangssaal des Schlosses übergab man sie anderen Wachen. Ravenna hob den Kopf. An der Wand hing ein Banner. Zwei Laternen beleuchteten das bodenlange Stück Stoff und ließen das mit Silber durchwirkte Gewebe schimmern. Ravenna zuckte zusammen. Das Banner zeigte Velascos Wappen: eine Krähe, die einen mumifizierten Finger im Schnabel trug. Ein Ring steckte an dem Knochen. Lucians Ring. Der Ring seines Ordens.
    »Nein«, wimmerte Ravenna und wand sich im Griff der Soldaten. »Nein!«
    Als man sie die Treppe hinaufbringen wollte, stemmte sie die Füße gegen die Stufen und wehrte sich. Einer der Männer versetzte ihr einen Fauststoß in den Rücken. Der Schmerz raubte ihr den Atem. Ihre Gegenwehr wurde schwächer.
    Die Männer zerrten sie in den oberen Stock. Am Ende eines endlosen, düsteren Gangs rissen sie eine Tür auf und stießen sie in die Kammer. Der Stoß war so hart, dass sie stolperte und hinfiel.
    Ein dicker Teppich fing ihren Sturz auf. Die Holzkiste polterte neben ihr zu Boden. Dann knallte die Tür zu, und sie hörte, wie der Riegel vorgelegt wurde.
    Vor lauter Erschöpfung blieb Ravenna mit dem Gesicht nach unten liegen und weinte leise. Sie hatte keine Ahnung, wie spät es war. Es musste weit nach Mitternacht sein, falls bei quer verlaufenden Sprüngen die Zeit ähnlich verging wie bei einer gewöhnlichen Zeitreise. Seit dem Augenblick, da die weiße Limousine vor dem Hintereingang des Hotels vorgefahren war, waren noch keine vierundzwanzig Stunden vergangen.
    Ihr ganzer Körper tat weh. Sie war völlig verzweifelt und fühlte sich sterbenselend, denn sie war überzeugt davon, dass Lucian die Nacht im Schloss seines Vaters nicht überleben würde. Nicht nach seinem Geständnis am Blutstein. Endlich bekam Velasco seine Rache – eine Vergeltung, auf die er seit mehr als siebenhundert Jahren wartete. Das Tor in den Katakomben war eine Falle gewesen.
    Ravenna wischte sich über das Gesicht. Sie musste sich beruhigen, um wieder klar denken zu können. Als ihre Atemzüge allmählich wieder tiefer und langsamer wurden, hörte sie ein Feuer knistern. Auf ihrem rechten Arm und dem Oberschenkel brannte eine unangenehme Hitze. Kostbare Stoffe raschelten neben ihr, und der Duft von Yasminblüten hüllte sie ein. Sie fuhr herum und riss blindlings den Arm hoch, um jeden weiteren Angreifer abzuwehren.
    Aber es war

Weitere Kostenlose Bücher