Tore nach Thulien 2 : Dämmerung (German Edition)
selbst wenn es sich nur um eine rein geistige Verletzung handelt. << Taris sah den alten Medikus dankbar an, bevor er fortfuhr. >> Aber die Leichen nur aus der Stadt zu schaffen reicht mir nicht. << Der Blick des Hauptmanns rückte für den Bruchteil einer Sekunde in weite Ferne.
Eirik entging dieser Moment nicht. Abermals wunderte er sich über das Unbehagen von Taris, sagte jedoch nichts. Was machte dem Hauptmann Angst?
>> Verbrennt sie und bestattet sie anschließend auf dem Hof der Herrin. Auch der Wagen wird verbrannt. <<
Eirik wunderte sich über diese drastische Maßnahme, nickte jedoch. Gleich und sofort klein beigeben wollte er dann aber doch nicht.
>> Gestattet mir noch eine letzte, abschließende Untersuchung. Ich möchte gerne den Zustand der Leichen sorgfältig dokumentieren und einen Bericht an die Akademie verfassen. <<
>> Aber sicher. Bringt Eure Ergebnisse zu Papier und die Nachforschungen damit zu einem Abschluss! Lasst mich wissen, wann es soweit ist! <<
>> Gerne, Hauptmann Taris. <<
Damit war das Gespräch beendet und der Medikus verabschiedete sich vom Hauptmann.
Es war inzwischen dunkel, als Eirik wieder durch die Gassen Leuenburgs zurück zum Hospital ging. Fackeln an den Häuserwänden erhellten in regelmäßigen Abständen die Straßen und Nachtwächter machten ihre Runde. Ab und an sah er noch Menschen in den Gassen, doch die meisten saßen in ihren Häusern und aßen zu Abend oder fanden sich in den Wirtshäusern der Stadt ein. Hatte er noch auf dem Hinweg über das Rätsel der beiden Toten nachgedacht, ging ihm jetzt die sonderbare Angst des Hauptmanns nicht mehr aus dem Sinn. Eirik konnte verstehen, dass nicht alle eine derartige Kaltblütigkeit wie er im Umgang mit Toten und Verstorbenen an den Tag legten, doch hatte ihn die Art des Hauptmanns etwas befremdet. Sie kannten sich nun schon sehr lange und Eirik wusste, dass Taris schon weitaus Schlimmeres und Abscheulicheres gesehen hatte als diese beiden Leichen. Es konnte also nicht der Umstand, dass sie tot waren oder gar ihr Aussehen gewesen sein. Vielmehr vermutete der Medikus eine entweder fest im Glauben verwurzelte oder einfach nur der Fantasie des Hauptmanns entsprungene Vorstellung hinter dem Ganzen. Womöglich sah Taris Widergänger in den beiden Toten, und die Tatsache der fehlenden Verwesung schien seinen Verstand dabei auch noch zu beflügeln. Eirik lachte kurz belustigt auf. Vielleicht hätte er ihm doch nicht alles erzählen und einige medizinische Details außen vor lassen sollen. Widergänger waren im Reich ein beliebtes Stilelement der Geschichtenerzähler und tauchten deshalb nicht gerade selten in allerlei Sagen und Kindergeschichten auf. Der Medikus schmunzelte, doch gemahnte er sich selbst im gleichen Moment, dem Hauptmann nicht Unrecht zu tun. Jeder Mensch besaß auf die eine oder andere Art gewisse Absonderlichkeiten, und gleichzeitig empfand jeder ausgerechnet die eigenen als nicht sonderlich verschroben. Auch der Medikus von Leuenburg legte des Öfteren derlei Verhaltensweisen an den Tag, und nachdem er sich dessen gewahr wurde, beschloss er, nicht mehr länger über die Beweggründe des Hauptmannes nachzudenken. Die Leichen würden verbrannt und die Sache damit zu einem Ende gebracht.
Tief durchatmend warf Eirik einen Blick in die Gasse. Für einen Mann seines Alters hatte er noch ein gutes Stück Weg bis nach Hause, und er hoffte inständig, dass Talin das Abendessen noch nicht aufgetischt hatte.
In den unteren Fenstern des Hospitals flackerte Kerzenschein, als Eirik die wenigen Stufen zur Eingangstür hinaufstieg. Er war hungrig und freute sich nun auf ein ausgiebiges Abendmahl. Die Tür zur Küche stand offen, doch der Raum dahinter lag im Dunkeln. Etwas enttäuscht stellte er fest, dass er das Abendessen nur knapp verpasst hatte und machte kehrt. Normalerweise herrschte um diese Zeit noch Hochbetrieb in dem alten Backsteinbau. Das Essen wurde ausgeteilt, und die Schwestern der Herrin machten ihre abschließende Runde. Das Hospital fasste bis zu zehn stationär zu behandelnde Patienten und dementsprechend waren Küche und sanitäre Einrichtungen ausgestattet. Im Augenblick gab es jedoch, außer einem an der Sieche Erkrankten, keinerlei Genesende und die Schwestern verließen bereits in den frühen Nachmittagsstunden das Hospital. Um den Medikus kümmerte sich dann ausschließlich Talin und ob abends nun für zwei
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