Tore nach Thulien 2 : Dämmerung (German Edition)
ehe er erschöpft und entkräftet zusammenbrach.
Die Jagd beginnt
Eine gute Stunde hatten sie den Pfad und die umliegenden Hügel beobachtet, und gerade als sie ihr Versteck verlassen wollten, sahen sie die ersten weißen Gestalten. Anfangs noch als vereinzelte Punkte über die Kuppen sickernd, ergossen sich schließlich unzählige helle Trauben von den Hügelketten im Westen in die Ebene. Liam und den anderen stockte bei diesem Anblick der Atem. Keiner von ihnen hatte jemals so viele Menschen, oder was sie sonst auch immer sein mochten, auf einmal gesehen, von Bewaffneten in dieser Anzahl ganz zu schweigen. Mit großen Augen verfolgten sie den Zug der Hellen, und allen wurde in diesen Minuten klar, dass Wanhold mit jedem seiner Worte Recht behalten hatte. Das waren keine marodierenden Räuber oder versprengte Söldnerhaufen, das war ein Invasionsheer. Noch dazu eines mit gewaltigen Ausmaßen. Irgendwann hörte Liam schließlich auf zu zählen und begnügte sich damit, die schiere Größe auf sich wirken zu lassen. Die Männer sahen sich immer wieder ungläubig an, und zeigten mit den Armen mal hierhin und mal dorthin. Liam erinnerten die unendlich scheinenden Massen an Ameisen, die sich langsam, aber unbarmherzig über das Land ergossen. Immer weiter drängten sie vor, schwappten schließlich irgendwann über die Reste des Dorfes hinweg und verschlangen in einem wimmelnden Durcheinander das Zentrum seines bisherigen Lebens. Einige der Hütten brannten noch, doch die meisten waren nur noch rauchende Ruinen. Liam fiel auf dass es offenbar keinerlei Plünderungen gab. Die weißen Gestalten durchquerten das Dorf und schienen sich nicht um Beute zu kümmern. Weder suchten sie in den Überresten der Hütten nach wertvollen Dingen, noch machten sie sich die Mühe, die Leichen der Dorfbewohner genauer in Augenschein zu nehmen. Liam konnte sich darauf keinen Reim machen, doch passte dieses Verhalten durchaus in das bisherige Bild, das er von den Hellen hatte. Wanhold mochte zwar Recht behalten haben, doch waren seine Worte bei Weitem nicht die ganze Wahrheit. Liam wusste aus den Erzählungen seines Vaters, was im Krieg und vor allem nach einem Sieg geschah, und das hier gehörte sicher nicht dazu. Ob Söldner oder regulärer Soldat, alle nahmen sich ihren Teil der Beute und ließen sich auf diese Art den Sieg gefallen. Den Hellen jedoch schien das gleichgültig zu sein. Dem Wasserrad einer Mühle gleich, das im Flusslauf stoisch und ohne zu klagen seinen Dienst verrichtete, marschierten sie weiter. Sie sahen dabei weder nach links noch nach rechts, und es hatte den Anschein, als kümmerten sie sich nicht darum, was um sie herum passierte. Auf eine seltsame Art und Weise fehlte ihnen jede Emotion, und genau das war es, was Liam in dieser Sache am meisten Angst machte. Selbst abgebrühte und hartgesottene Krieger konnten sich dem Eindruck einer Schlacht, wenn auch gewonnen, niemals vollkommen entziehen und mussten ihren Gefühlen, in welcher Form auch immer, ihren Lauf lassen. Liam machte dieses Verhalten stutzig und er nahm sich fest vor, Wanhold davon zu berichten, sobald sie wieder bei den Wagen waren.
Einer seiner Begleiter zeigte plötzlich hektisch, mit ausgestrecktem Arm, nach unten. Im ersten Moment konnte Liam nichts Außergewöhnliches entdecken, doch dann wusste er, was den Mann so beunruhigte. Eine kleine Gruppe hatte sich vom Gros des Heeres gelöst und bewegte sich rasch in ihre Richtung. Liam bemerkte sofort, dass sich diese Hellen, im Gegensatz zu den Übrigen, sehr schnell bewegten. Sie rannten. Auf einmal jedoch stoppten die Gestalten und gingen in die Hocke. Ihre Köpfe wogten seltsam hin und her, fast so, als untersuchten sie den Boden.
>> Sie haben die Radspuren der Wagen entdeckt! << , flüsterte Liam und sah mit ernstem Blick zu seinen Begleitern. Jetzt bereute er es, sich nicht die Zeit genommen zu haben die Spuren zu beseitigen. Die Furchen der Räder zogen sich wie ein roter Faden durch den Morast und Dreck des Bodens und würden die Hellen direkt zu ihnen führen. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie den Pfad finden und sich an ihre Fersen heften konnten.
Die drei Männer sahen sich an, und ohne ein weiteres Wort zu wechseln, krochen sie gemeinsam vom Hang zurück. Sie wussten, dass jetzt keine Zeit mehr zu verlieren war. Als sie sich außer Sichtweite ihrer Verfolger wähnten, standen sie auf und hasteten den Pfad hinauf. Der Vorsprung
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