Tore nach Thulien 3 : Ferner Donner (German Edition)
seine Nächte draußen im Freien und an der Grenze zum Wilderland verbrachte, hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht, diese kleine Lebensversicherung direkt am Leib zu tragen. Bisher hatte er sie nicht gebraucht, und mit einem Stoßgebet dankte er der Herrin, dass es auch diesmal nicht so weit gekommen war. Müde richtete er sich etwas auf. Im Osten dämmerte es bereits und die ersten, wärmenden Strahlen der aufgehenden Sonne krochen langsam unter den Wagen.
Wie lange hatte er geschlafen? Lange konnte es nicht gewesen sein, erinnerte er sich doch noch zu gut an das Gespräch mit Berenghor und den rötlichen Schein am Himmel. Er und der Söldner waren sich, was das Feuer anging, schnell einig geworden. Zu groß war die Entfernung und zu unsicher die Lage, als dass sie sich darum hätten kümmern können. Letzteres wollte Berenghor natürlich nicht ohne Widerwillen gelten lassen, doch auch der Söldner wusste, dass Hochmut stets vor dem Fall kam, und so fügte sich der Hüne dem Befehl Tristans. Natürlich wäre es für Tristan wichtig gewesen, seinen Verdacht bestätigt zu wissen, so aber würde es bei einer Vermutung bleiben. Tristan war sich in dieser Sache aber ziemlich sicher. Wer, außer den Schwarzen Skorpionen, sollte sonst dafür verantwortlich sein?
Zerknautscht und halb erschlagen rieb er sich das Gesicht. Erst die Stimme Linwens erinnerte ihn daran, warum er überhaupt aufgewacht war.
>> Sie ist wach, Tristan. Und sie spricht! << Die Worte der Wanderpredigerin vertrieben mit einem Schlag die letzten Überbleibsel einer für Tristan fast schlaflosen Nacht. Die Reste der den Träumen entsprungenen Gedanken verstummten sofort, und die verworrene Erinnerung an Feuer und schwarze Gestalten verblasste zusehends. Das Mädchen war wach, und Tristan wollte jetzt unbedingt mit ihm sprechen. Schnell kroch er unter dem Wagen hervor, entledigte sich der taufeuchten Decke, und gerade, als er die Luke ins Innere des Gefährts öffnen wollte, legte ihm Linwen plötzlich sachte eine Hand auf die Schulter.
>> Dort, am Feuer. << Die Dienerin der Herrin deutete um die Ecke, am Wagen vorbei, und erst jetzt bemerkte Tristan, dass das Lagerleben schon begonnen hatte. Jorek kniete an der alten Feuerstelle, blies gleichmäßig und lang gezogen in die kleinen, zarten Flammen und stocherte immer wieder in der noch jungen Glut herum. Odoak stand bei den Pferden, strich mit einer Bürste durch deren Fell und bot ihnen in regelmäßigen Abständen frisches Wasser in einem großen Lederbeutel zum Trinken an.
Jähe Wut stieg in Tristan hoch. Sie hatten ihn schon wieder nicht geweckt! Das war nicht das erste Mal, und auch jetzt regte er sich ungemein darüber auf. Bei der Herrin, wie oft hatte er ihnen das schon gesagt? Er konnte es nicht leiden, dass andere bereits tätig wurden, und er selbst noch schlief. Schon bei seinen Patrouillenritten entlang der nördlichen Grenzen des Herzogtums hatte er immer darauf geachtet, dass er der Letzte war, der sich schlafen legte, und am Morgen danach aber auch der Erste war, der die Augen aufschlug. Seine Männer wussten das genau, und deshalb weckte ihn die vorletzte Wache immer kurz vor Tagesanbruch. Leider war von seiner Truppe diesmal keiner dabei. Nicht verwunderlich also, dass man ihn schon wieder so lange hatte schlafen lassen. Tristan unterdrückte seinen Zorn, nahm sich aber fest vor, Odoak und Jorek später entsprechend zu unterweisen. Ab morgen würde das anders laufen müssen.
Dass Shachin schon wieder im Lager war, überraschte ihn sehr. So kurz nach Tagesanbruch hatte er nicht mit ihr gerechnet. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass sie erst im Laufe des Tages wieder zu ihnen stoßen würde. Jetzt aber saß die katzengleiche Schattenkriegerin auf dem Dach des Wagens, ließ die Beine lässig an der Wand herunterhängen, und kaute lustlos auf einem kleinen Stückchen Brot. Auf den ersten Blick mochte man meinen, die Attentäterin kümmere sich nicht um das, was um sie herum passierte, doch Tristan wusste es besser. Er war sich auch sicher, dass sie nicht umsonst das Dach des Wagens gewählt hatte. Shachin dachte stets in anderen Bahnen, und nicht zuletzt deshalb zog sie eine erhöhte Position mit gutem Blick dem Boden der Senke vor. Jetzt, da er Shachin im Lager wusste, war ihm auch klar, wo er Berenghor zu suchen hatte. Es verwunderte ihn nicht, dass der Söldner wieder oben am Rand der Senke stand und die
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