Tore nach Thulien 4 : Grüfte und Katakomben (German Edition)
nickte nur.
Der erste Krieger machte eine wegwischende Geste. >> Ist schon in Ordnung. Das sind wohl unsere Zeiten. Die Zeiten der schlechten Nachrichten. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie sich gute anhören. << Ein zaghaftes Lächeln umspielte seine Lippen.
>> Was ist schlimmer, Wanhold? Die Verfolger im Rücken oder die Zwietracht unter uns? << Liam hatte ihm gar nicht richtig zugehört. Er dachte noch immer über Balkor und die fremden Neuankömmlinge nach. Das Verhalten der Menschen hatte ihn schockiert. Er war unter ihnen groß geworden, hatte mit ihnen gelebt und kannte sie so gut wie niemand sonst. Und doch fragte er sich, wer das eben gewesen war. Seine Bekannten und Freunde jedenfalls nicht. Niedergeschlagen sah er seinem Anführer in die Augen. Dessen Lächeln hatte ihn nicht erreicht.
>> Ich weiß es nicht. Aber wenn wir nichts unternehmen, wird uns beides am Ende zerstören. <<
Liam dachte kurz über die Antwort nach und schüttelte dann den Kopf. >> Nein, zerstören werden wir uns am Ende selber. Mein Großvater hat mir erzählt, wie unsere Vorfahren das Land im Westen besiedelt und urbar gemacht haben. Er sprach immer von der Gemeinschaft und dem Zusammenhalt der Siedler, und dass ihr Erfolg nur diesem besonderen Geist zu verdanken gewesen sei. <<
>> Dann hat dir dein Großvater die Wahrheit gesagt. Die unbedingte Treue zueinander war schon immer unsere größte Stärke, Liam. <<
>> Dann frage ich mich, wo sie geblieben ist. Balkor jedenfalls scheint sie fremd zu sein. <<
>> Balkor ist ein von Neid zerfressener Vollidiot, der selbst im Tode noch um seinen gerechten Anteil feilscht. Mach dir wegen diesem sturen Hund keine allzu großen Sorgen! Außerdem kennen ihn die Leute gut genug. Sie werden ihm nicht folgen. <<
>> Und was, wenn er sie nochmal aufstachelt? <<
>> Dann werde ich ihn töten. <<
Die Worte waren für Liam wie ein Schlag ins Gesicht, beschrieben gleichzeitig aber sehr gut die Situation, in der sie sich befanden. Alles ging den Bach runter, und es brauchte offensichtlich nicht mehr viel, bis sich jeder wieder selbst der Nächste war. Verschwanden alltägliche Dinge wie ein sicheres Heim und eine gute Mahlzeit, galten Menschen, denen man früher wohlwollend das Gastrecht gewährt hätte, plötzlich als Konkurrenten oder gar potentielle Feinde.
Liam sah zu Boden. Er glaubte Wanhold. Sein Auftritt vorhin war kein Theater gewesen, und hätte sich Balkor nicht aus dem Staub gemacht würde seine Seele womöglich schon auf dem Weg zur Herrin sein.
>> Aber jetzt lass uns nicht mehr über diesen Einfaltspinsel sprechen. Erzähl mir lieber, was euch widerfahren ist! <<
Liam nickte, und genau genommen war er froh, nicht mehr länger über das eben Gesehene nachdenken zu müssen. Die Gefahr in ihrem Rücken war real, und um den inneren Frieden der Truppe musste sich Wanhold kümmern.
Die Unterredung mit Wanhold und Gilran, dem zweiten Krieger des Dorfes, hatte am Ende doch länger gedauert, und jetzt freute er sich auf seine Familie. Müde machte er sich auf den Weg zu Ilsa und Nalia. Die beiden saßen an einem der Feuer und aßen ein karges Mahl aus Pilzen, Wurzeln und altem Käse. Nalia war froh, ihren Vater wieder um sich zu haben und bestürmte ihn mit Fragen. Trotz der durch die Wärme rasch einsetzenden Müdigkeit stand er ihr geduldig Rede und Antwort, und als ihr die Fragen irgendwann ausgingen, erzählte sie von ihrem Tag.
Liam versuchte, seiner Tochter aufmerksam zu folgen, doch so recht wollte es ihm nicht gelingen. Immer wieder sah er über die Flammen zu Ilsa. Sie lächelten sich an und gaben sich gegenseitig Zeichen der Zuneigung. Als Nalia endlich eingeschlafen war, kam sie schließlich zu ihm rüber. Eng schmiegte sie sich an ihn und drückte ihren Kopf an seine Schulter.
>> Was wird aus uns werden? << , wollte sie nach einer Weile wissen und sah gedankenverloren ins Feuer.
Liam antwortete nicht gleich. Er holte tief Luft und fuhr sich mit einer Hand durchs kurze, braune Haar. >> Ich denke, wir werden weiter machen wie bisher. <<
>> Wie könnten wir das? Unser Dorf gibt es nicht mehr und die Leute haben sich verändert. <<
>> Das habe ich mich auch. <<
Sie hob kurz den Kopf, blickte ihn an und strich ihm dann zärtlich über die Wange. >> Nein, du bist
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