Tore nach Thulien 4 : Grüfte und Katakomben (German Edition)
Das Reich des Königs und der Herrin ist das Licht, dahinter liegt nur Dunkelheit. Die Incubi sind eines der vielen Instrumente des Bösen, den ständigen Kampf mit dem Guten für sich zu entscheiden. Zwischen ihnen und ihrem Sieg stehen nur die Kirche und das Reich. << Die Augen des Erlösers fixierten Taris, und der wusste in diesem Moment, dass Uriel die Wahrheit gesprochen hatte. Zumindest eine Wahrheit, an die er selbst zu glauben schien.
Taris schluckte. Insgeheim hatte er gehofft, dass es einen einfachen, einen plausiblen Grund für das Erscheinen der Incubi gäbe, und man diesen nur abzustellen bräuchte und die Probleme würden verschwinden. Jetzt hingegen stellte sich alles ganz anders dar. Die drohende Kulisse eines gewaltigen, alles vernichtenden Umbruchs, der bisher nur schemenhaft zu erkennen war, manifestierte sich durch die Worte des Erlösers in Taris` Gedanken mehr und mehr zu einem greifbaren, schmerzhaften Schrecken. Die Incubi waren offenbar nicht das frevelhafte Produkt eines verwirrten Geistes, sondern gehörten zum ständigen, die Schöpfung fortwährend begleitenden, Hin und Her zwischen Gut und Böse, Richtig und Falsch.
Offenbar sah man ihm die plötzliche Erkenntnis über die Tragweite der Geschehnisse an, denn Uriel kam einen Schritt auf Taris zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. >> So wie die Incubi ein Instrument des Bösen sind, so seid Ihr der verlängerte Arm des Guten, Hauptmann Taris. Bleibt standhaft in Euren Überzeugungen und vergesst niemals, dass die Herrin stets immer und überall zugegen ist! Sie wird Euch leiten und beschützen. << Die Stimme des Erlösers klang sanft, beinahe wie die eines Vaters gegenüber seinem verängstigten Sohn.
Taris nickte dankbar, warf dann aber einen abschätzenden Blick aus dem Fenster und wechselte plötzlich das Thema. >> Wir sollten langsam aufbrechen, Hochwürden. In zwei Stunden geht die Sonne auf, und bis dahin möchte ich im Refraktorium auf der Lauer liegen. << Es war ihm unangenehm, von diesem, zugegebenermaßen hochintelligenten und erfolgreichen Mann, der doch an Jahren so viel jünger war als er selbst, in Schutz genommen zu werden. Er war der erfahrene und in unzähligen Schlachten gestählte Mann, nicht Uriel. Er müsste eigentlich jener sein, der Trost und Hoffnung spendete.
>> Ihr habt Recht, Hauptmann. Lasst uns die anderen wecken! << Uriel wandte sich mit einem abschließenden Lächeln um. Scheinbar hatte er gemerkt, wie unwohl sich Taris plötzlich in seiner Haut fühlte, machte er sich doch rasch auf den Weg zu den Zimmern, in denen er Bruder Malachias und Eirik wusste.
Taris sah ihm nach, und für den Bruchteil einer Sekunde musste er daran denken, mit welchem Gefühl er noch vor wenigen Tagen die Gemächer des Herzogs verlassen hatte. Jetzt erging es ihm ähnlich. Dieser Erlöser wusste, genau wie der Herzog, mehr als das er sagte.
Es dauerte nicht lange und die vier waren abmarschbereit. Eirik hatte sich neben einem Beutel, gefüllt mit kleinen Säckchen voller Luminuspulver, noch sein altes Kurzschwert an die Seite gehängt, und Uriel und Bruder Malachias standen, die Kapuzen ihrer Mäntel tief ins Gesicht gezogen, an der Tür und warteten. Endlich gab Taris das Zeichen zum Aufbruch und ohne ein weiteres Wort machten sie sich im Dunkel der Nacht auf den Weg zum Refraktorium.
Bäume und Bolzen
Donnernd schlugen die Hufe der Streitrösser auf den westlichen Ausläufer des Königsweges. Was als feste, gepflasterte Straße in Königsbrück begann, verlief sich hier in der Provinz zwischen den großen Städten des Reiches in einem ausgetretenen, unbefestigten Pfad. Die langen, verschmutzten Schabracken, die das herzogliche Wappen Leuenburgs trugen, wehten in vollem Galopp an den Seiten der Tiere und deren Reiter beugten sich weit nach vorne in den Wind. Von den Leuenburger Gardefarben war nicht mehr viel zu sehen. Der silberne Grund war mit braunen Schlammflecken übersät, und den blauen Streifen suchte man zwischen all den erdigen Farbtönen vergebens. Dreck und Morast wirbelte in hohen Fontänen hinter den Pferden auf und ihr warmer Atem kondensierte dampfend in der kühlen Abendluft. Die Augen weit aufgerissen und nur nach vorne gerichtet, folgten die Tiere dem kräftigen Hengst an der Spitze der Schar. Auf ihm ritt Grodwig, der Herzog von Leuenburg. Das treue Tier trug seinen Herrn mit weiten Sprüngen voran und die anderen
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