Tori und die verschwundene Stute
Sina seit ein paar Monaten mit Viktor zusammen war, der Tori nicht ausstehen konnte. Bestimmt hetzte Viktor Sina gegen Tori auf.
âIch helf dir gerne, Sinaâ, sagte Hannah ruhig.
âDanke.â Jetzt lächelte Sina. âIch red auch mit Viktor. Der packt in den Ferien sicher mit an.â
âVielleicht schreibt er dir auch gleich noch dein Referatâ, stichelte Tori. âDann musst du dir um deine Drei überhaupt keine Sorgen mehr machen.â
Sina antwortete nicht. Sie tat einfach so, als hätte sie nichts gehört.
â Thatâs simply impossible! â, schrie Sue in ihr Mobiltelefon. â Do you hear me? Impossible! â Sie legte auf, ohne sich zu verabschieden. Einen Moment lang schien sie versucht, das Handy im hohen Bogen in das Gehege zu werfen, in dem die beiden Hängebauchschweine Horst und Klothilde gerade ein Schlammbad nahmen. Aber stattdessen steckte sie es in ihre Jeans und seufzte resigniert.
âAlles in Ordnung, Sue?â, fragte Tori. Wenn die Ranchbesitzerin ausrastete, lieà man sie besser in Ruhe, das wussten die Pferdemädchen aus Erfahrung. Aber Sue schien auf einmal gar nicht mehr wütend, sie sah eher traurig aus.
âDas war meine Schwesterâ, sagte sie. âAch, es ist zum Verrücktwerden.â
âWas ist denn passiert?â, erkundigte sich Hannah, die ebenfalls näher getreten war. âSchlechte Nachrichten von zu Hause?â
âKann man wohl sagen.â Sue fuhr sich mit beiden Händen durch die wilde, rotblonde Mähne. âMeine Mutter ist ziemlich krank.â
âDas tut mir leidâ, sagte Tori.
âUnd ausgerechnet jetzt fährt meine Schwester in Urlaub. Dabei hatten wir abgesprochen, dass sie so lange in Sacramento bleibt, bis ich hier einen Verwalter gefunden habe und rüberfliegen kann.â
Sue war Amerikanerin. Bevor sie die Sunshine Ranch vor einigen Jahren gekauft und nach ihren Vorstellungen umgebaut hatte, hatte sie in Los Angeles gelebt. Als erfolgreiche Hollywood-Schauspielerin war sie in vielen Filmen aufgetreten, aber dann hatte sie ihre Karriere von einem Tag auf den anderen an den Nagel gehängt. âDas Filmbusiness hat mich fertiggemachtâ, hatte sie Tori kürzlich erst erklärt. âVornerum tut jeder zuckersüÃ, aber sobald du dich umdrehst, stoÃen sie dir ein Messer in den Rücken. Nee, ich hatte die Schnauze voll davon.â
âWas hat deine Mutter denn?â, fragte jetzt Sina, die inzwischen ebenfalls auf dem Hof angekommen war.
âSie hat vor Kurzem eine neue Hüfte bekommen. Wenn sie aus der Reha nach Hause kommt, braucht sie natürlich noch eine Menge Hilfe im Haushalt. Das sollte am Anfang meine Schwester übernehmen, bis ich einspringen kann. Aber nun hat Sally plötzlich ihre Meinung geändert. Jetzt will sie unbedingt nach Hawaii. Montag geht ihr Flieger.â
âSo ein Mist.â
âDas kannst du laut sagen. Dabei weià Sally genau, dass ich hier nicht alles stehen und liegen lassen kann. Ich brauch doch jemanden, der mich auf der Ranch vertritt. Wenn wenigstens Robert hier wäre! Aber der muss ausgerechnet jetzt zu einem Fotoshooting nach Prag.â
âMontag, sagst du?â, fragte Tori. âDas ist doch perfekt.â
âWas ist daran perfekt?â Sue wirkte genauso verständnislos wie Sina und Hannah.
âAm Samstag fangen die Osterferien an. Da können wir uns doch um alles kümmern.â
âIhr?â, fragte Sue ungläubig. âWie soll das denn gehen?â
âDas frage ich mich allerdings auchâ, sagte Sina.
Auf diese Bemerkung hatte Tori nur gewartet. So war es nämlich immer: Wenn Tori eine Idee hatte oder einen Vorschlag machte, dann schoss Sina auf der Stelle quer. Das funktioniert doch nie im Leben, das ist viel zu kompliziert, das klappt bestimmt nicht. Aber Tori lieà sich schon lange nicht mehr auf Sinas Bedenken und Einwände ein. Im Gegenteil, inzwischen spornte sie Sinas Widerspruch richtig an.
âWir sind zu sechstâ, sagte sie. âUnd jede von uns kennt sich hier aus. Das schaffen wir doch mit links.â
Das war übertrieben, das war ihr selbst klar. Die Sunshine Ranch zu managen, war alles andere als ein Kinderspiel. Aber was wäre das Leben ohne Herausforderungen? Total langweilig.
Sue war natürlich skeptisch. âDu darfst das alles hier nicht unterschätzen, Tori. Es sind ja nicht nur die
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