Torschlussmami: Eine Frau auf der Suche nach dem großen Babyglück (German Edition)
Einfühlungsvermögen, aber er kenne keine verlässlichen Vorzeichen. Trotzdem versichert er mir, dass er durch seine jahrelange Berufserfahrung einen ›psychologischen Riecher‹ entwickelt habe und dass er sich ziemlich sicher sei, dass ich nicht nur eine gute Mutter sein würde, sondern auch Spaß daran hätte.
Das ist schön zu hören, aber mein Bekannter Nick, der ganz sicher über Selbsteinsicht und Einfühlungsvermögen verfügt, sagte mir einmal, wenn er die Zeit zurückspulen könnte, würde er sich gegen Kinder entscheiden – nicht, weil er sie nicht, sondern weil er sie zu sehr liebe. Er erklärte, dass er, bevor er Kinder hatte, nie so intensiv gefühlt habe. Es breche ihm das Herz, wenn seine Tochter in der Schule gehänselt werde oder wenn sein Zwölfjähriger am Boden zerstört sei, weil er als Einziger in der Clique keine Freundin habe.
»Es tut weh, einen Menschen so sehr zu lieben«, sagte er mir. »Ich kann mit meinen eigenen Höhen und Tiefen umgehen, aber es ist eine Qual, die der Kinder zu erleben.«
Sobald ich an dem Perfekte-Mutter-Lack kratze, den so viele Frauen nach außen hin tragen, ist es wirklich erschreckend, wie viele von ihnen zugeben, dass ihnen ein Leben ohne Kinder lieber wäre oder dass sie zumindest eine zwiespältige Haltung zur Mutterschaft einnehmen. Selbst wildfremde Frauen gestehen mir, dass sie es bereuen, Mutter geworden zu sein, als wollten sie mich davor schützen, mich mit einer unheilbaren Krankheit anzustecken.
Als ich im Café sitze und das Buch Childfree and Loving It! von Nicki Defago lese, beugt sich eine erschöpft und ausgebrannt wirkende Frau am Nachbartisch zu mir herüber und sagt: »Tun Sie es nicht. Glauben Sie nicht, was die alle erzählen. Das ist es nicht wert.«
Sie erzählt mir, dass sie sich wie ein Glückspilz unter all den Frauen in ihrem Bekanntenkreis, die erfolglos versuchten, ein Kind zu bekommen, gefühlt habe, als sie mit Ende dreißig schwanger wurde.
»Aber inzwischen denke ich, sie sind die Glückspilze«, sagt sie. »Sie sind der lebenslangen Verurteilung zu schwerer Zwangsarbeit entgangen.«
Wenn man in Defagos Buch blättert, stößt man auf jede Menge herzzerreißende und furchterregende Anekdoten, die all die Frauen abschrecken sollen, die eine Mutterschaft in Erwägung ziehen. Eine Frau gibt zu Protokoll: »Ich wollte nicht Mutter werden, und ich wusste genau, dass ich die falsche Entscheidung getroffen hatte. Mein Sohn ist zu einem feinen und liebevollen Menschen herangewachsen. Er weiß nicht, dass ich mir schreckliche Vorwürfe mache, weil ich damals so naiv war zu glauben, dass ich mich den herrschenden Sitten anpassen müsse. Ich wäre heute ein viel glücklicherer Mensch, wäre ich nicht Mutter geworden.«
Eine andere Frau gesteht: »Hätte ich gewusst, wie ich mich als Mutter fühlen würde, wäre ich es nicht geworden. Meine damaligen Vorbehalte waren wohl gerechtfertigt … der biologische ›Haken‹ ist, dass man nie im Voraus weiß, wie man auf dieses Mammutereignis reagieren wird. Wüssten wir es, würden sich nur wenige von uns fortpflanzen.«
Das folgende Bekenntnis macht mir am meisten Angst: »Ich hasse es, Mutter zu sein. Ich hasse es, Mami zu sein! Meine Kinder sind okay, manchmal sogar richtig süß, aber ich empfinde keine besondere Liebe für sie. Ich kümmere mich gut um sie, ich würde alles tun, was ich kann, um ihnen zu helfen und sie zu beschützen, aber wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich diese Kinder nicht haben. Sie erwarten jetzt wahrscheinlich eine Horrorgeschichte. Es gibt keine, außer dass ich mir jeden Tag in meinem Leben wünsche, keine Mutter zu sein … ich hasse die Belastungen und Kosten, die durch Kinder entstehen. Die Belohnungen dagegen sind so spärlich und halten nicht lange vor. Ich habe das Gefühl, nicht mehr ich selbst zu sein. Sogar mein Mann sieht mich nur als Mutter statt als Frau. Es ist, als würde man einen Job haben, der einem nicht gefällt, der einen langweilt, der einen seelisch auslaugt, bloß dass man diesen Job nicht einfach kündigen und nach Hause gehen kann. Er ist immer da und wartet auf dich, will erledigt werden! Darüber wird nicht gerne gesprochen, weil keiner sich oder einem anderen das eingestehen möchte … ich zähle die Tage, bis die Kinder aus dem Haus sind – dann scheint mir das Leben wieder lebenswert. Ich schätze, das kommt dabei heraus, wenn Leute Kinder kriegen, ohne ernsthaft darüber nachzudenken, ob sie wirklich Eltern
Weitere Kostenlose Bücher