Torschlussmami: Eine Frau auf der Suche nach dem großen Babyglück (German Edition)
deswegen keine Sorgen. Meine Katzen waren alle gut erzogen.«
Obwohl Chris mir versichert hat, dass ich einen Mutterinstinkt besitze, bin ich nicht davon überzeugt. Ich habe als Kind nicht einmal mit Puppen gespielt. Ich habe mir lediglich mal eine Puppe gewünscht, damit ich wie die anderen Mädchen sein konnte. Ich wollte mal ein Baby Born und habe mich, weil ich es nicht bekam, nie von der gesellschaftlichen Ächtung erholt. Meine Eltern wollten mir einfach keines kaufen, und ich nehme an, umso mehr wollte ich eines haben. Aber selbst wenn meine Eltern meinem Betteln und Flehen und Beteuern, dass mein Leben vorbei sei, wenn ich nicht mein eigenes Baby Born bekäme, nachgegeben hätten, hätte ich damit ohnehin nichts anzufangen gewusst. Ich habe nie kapiert, was es für einen Sinn macht, eine Puppe an- und auszuziehen – und wofür ist es gut, so zu tun, als würde man sie füttern? Sie ist aus Plastik und Stoff, sie hat kein Verdauungssystem.
Aber was, wenn mein Kinderwunsch nur eine Erwachsenenversion meines Baby-Born-Traumas ist? Was, wenn ich mir nur deshalb ein Kind wünsche, weil alle anderen eins haben – oder, schlimmer noch, weil man mir gesagt hat, dass ich vielleicht keins bekommen kann? Und wenn ich dann mein echtes Baby Born habe, werde ich wissen, was ich damit anfangen soll? Werde ich der Sache gewachsen sein?
Ich bin ein wenig beruhigt, als ich die Gegenstimmen zu der Mutterinstinkt-ist-genetisch-vorprogrammiert-These in zahlreichen Büchern über die Mutterschaft lese. Viele Wissenschaftler und Ärzte vertreten die Meinung, dass das Muttersein eine Fähigkeit ist, die man wie jede andere erlernen müsse. Eine Geburt löse keinen automatischen Download der Mutter-Software im Gehirn aus. Anscheinend war das schon immer so. Da wir heute nicht mehr in Stämmen leben, wo wir in das Aufziehen anderer Kinder aus der Gruppe einbezogen werden, stolpern wir ahnungslos und unerfahren in das Elternsein. Wir straucheln über unsere Erwartungshaltung, dass der Mutterinstinkt angeboren ist. Wenn wir also um zwei Uhr morgens feststellen, dass wir keine Ahnung haben, wie wir unser brüllendes Kind beruhigen können, werden unsere Sorge, Erschöpfung und Frustration durch ein Gefühl der Unzulänglichkeit und des Versagens verstärkt.
Das beruhigt mich. Wenn man das Muttersein lernen kann, dann sollte ich keine Probleme haben. Ich war immer eine gute Schülerin und hatte Bestnoten (außer in Mathe und Tischlern). Außerdem gibt es bestimmt ein paar Frauen, die noch ahnungsloser und unerfahrener in Sachen Kindererziehung sind als ich. Ich war noch nie zuvor mit einem Kind alleine. Windeltechnik finde ich verwirrend. Im Supermarkt ist mir neulich aufgefallen, dass die Windelhersteller zwar ausführlich die Supersaugfähigkeit der Lagen und den Auslaufschutz beschreiben, aber dass kein einziger auf die Packung druckt, wie man die verdammten Dinger anlegt. Woher soll man so was als frischgebackene Eltern wissen? Für mich sieht das aus wie Origami.
Ohne eingebaute mütterliche Fähigkeiten und ohne vorherige Erfahrungen mit der Mutterschaft, um sich diese Fähigkeiten anzueignen, kann ich unmöglich sagen, ob ich das Talent zur Mutter habe. Genau wie Emma mache ich nicht gerne Dinge, in denen ich nicht gut bin.
Ich vermute, dass es heute in vielerlei Hinsicht schwerer ist, Mutter zu sein, als es für die Generation unserer Großmütter war. Sicher, ihre Männer taten noch weniger als die Männer heute, aber wenigstens blieb ihnen die Enttäuschung erspart, wenn ihre hohen Erwartungen nicht erfüllt wurden. Die Maßstäbe für Mütter und die Anforderungen der sogenannten ›intensiven Mutterarbeit‹ haben sich ebenfalls geändert. Wenn ein Baby früher schrie, fühlten sich unsere Großmütter nicht sofort gezwungen, es zu beruhigen, um nur ja nicht einen Anstieg des Stresshormons Cortisol zu riskieren. Das lässt den Hippocampus des Babys nämlich schrumpfen, was im späteren Leben zu Nervosität und Bindungsstörungen führt, die Betroffenen in Soziopathen verwandelt und mit einem Enthüllungsbericht in der Zeitung mit dem Titel Die Mutter, die ein Monster erschuf endet. Früher hielt man das Schreien gut für die Lunge des Babys, und wenn der Krach der Mutter zu viel wurde, legte sie das Baby einfach eine Weile in den Schrank und konnte in Ruhe und guten Gewissens eine Tasse Tee genießen. Höchstwahrscheinlich hatte sie auch noch ihre Mutter, Schwiegermutter, Schwestern und Tanten in der Nachbarschaft,
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