Torschlussmami: Eine Frau auf der Suche nach dem großen Babyglück (German Edition)
Dr. Lucy mir nur Angst machen wollte oder dass es bei mir aus irgendeinem Grund anders sein würde. Irgendwo tief in meinem Innern dachte ich, Unfruchtbarkeit sei etwas, das nur andere betrifft, Menschen, die zu viel kiffen und Raubbau mit ihrem Körper betreiben.
Während ich meinen Optimismus und meine Ignoranz im Klo runterspüle, übermannt mich ein Gefühl der Verzweiflung. So dramatisch das klingt, aber ich habe den Eindruck, dass selbst die schlimmsten Erfahrungen in meinem Leben mich nicht auf die Trostlosigkeit vorbereiten konnten, die ich in diesem Moment empfinde. Ich habe fast dreißig Jahre meines Lebens in der festen Überzeugung verbracht, keine Kinder zu wollen, und die letzten paar Monate in dem unnachgiebigen Glauben, doch welche zu wollen. Aber erst jetzt wird mir bewusst, dass ich sie brauche. Ich brauche ein Kind mit jeder Faser meines Seins, und die Vorstellung, dass mein Körper dem Job einfach nicht gewachsen ist, finde ich unerträglich. Ich spüre Wut, Unzulänglichkeit, Schuld und Verantwortungslosigkeit gleichzeitig. Die Emotionen sind so impulsiv, dass ich das Gefühl habe zu platzen. Gleichzeitig frisst mich eine schreckliche Leere von Innen auf und hinterlässt ein Vakuum, so tief, dass nicht einmal mein Selbstmitleid es ausfüllen kann.
Ich fürchte, ich werde nie meine Fantasie ausleben dürfen, in der ich das Wohnzimmer betrete und ein Stäbchen, auf dem der magische zweite Strich prangt, emporhalte, als wäre es eine Trophäe. Es ist dieselbe Fantasie, in der Chris mich umarmt und mir sagt, dass er mich liebt, während er sich eine Freudenträne aus dem Augenwinkel wischt. Ich werde meiner Mutter niemals verkünden dürfen, dass ich ihr ein Enkelkind schenke, und Chris wird das zu seinen Eltern genauso wenig sagen können. Allen bleibt diese frohe und freudige Botschaft versagt, nur wegen mir, weil ich nicht richtig funktioniere. Meine Unfruchtbarkeit bereitet nicht nur mir Enttäuschung und Kummer, sondern auch meiner und Chris’ Familie.
Bald ist Muttertag, und der bloße Gedanke daran zieht mich noch mehr runter. Obwohl ich mir vor Augen halte, dass der Muttertag eine kommerzielle Verschwörung der Grußkartenindustrie und der Nelkenzüchtervereinigung ist, fühle ich mich keinen Deut besser. Ich lasse es zu, dass mehr Wellen des Selbstmitleids über mich hinwegrollen, und vergieße eine Träne für den hässlichen Blumenstrauß – Chrysanthemen sind so hässliche Blumen! –, den ich nie bekommen werde. Es spielt keine Rolle, wie toll mein restliches Leben ist. Und es ist toll. Wenn es um die schönen Dinge im Leben geht, habe ich bereits mehr als nur meinen gerechten Anteil davon abbekommen. Aber das tröstet mich nicht. Ich bin nicht fähig, den Blick auf das zu richten, was ich habe, weil ich total geblendet bin von dem, was ich nicht habe und vielleicht nie haben werde.
Ich schleiche aus der Toilette und hoffe, dass niemand bemerkt hat, dass ich fast eine Stunde dort drinnen war. Ich habe mein Make-up aufgefrischt, aber gegen die rot geränderten Augen kann ich nicht viel tun. Ich habe es fast durch das Foyer und zurück an meinen Schreibtisch geschafft, als ich Sarah über den Weg laufe. Sarah ist eine Kollegin, die ich eine Ewigkeit nicht mehr gesehen habe, tatsächlich seit mehreren Monaten nicht. Nun, da ich sie auf einem Sofa im Foyer entdecke, während sie ein Baby im Arm wiegt, fällt mir ein, dass ich sie nicht mehr gesehen habe seit, lassen Sie mich überlegen … genau, seit sie in Mutterschutz gegangen ist.
Oh, verdammte Scheiße. Ist das eine ausgeklügelte Verschwörung gegen mich? Es ist das perfekte Bild: Das Baby schlummert friedlich, und Sarah sieht wie eine erfüllte, überglückliche, attraktive Mami aus. Wo ich auch hinblicke, sehe ich nichts als verdammte Babys und schwangere Frauen, die mich verhöhnen und permanent daran erinnern, was ich nicht haben kann. Seit Kurzem nehme ich die Beschilderung in den öffentlichen Verkehrsmitteln über den Plätzen für Senioren und Schwangere wahr, und sogar die Schilder sind schwanger! Neulich habe ich in den Nachrichten gehört, dass selbst der verdammte Elefant im verdammten Zoo schwanger ist, verdammt!
Ich haste an Sarah vorbei, in der Hoffnung, dass sie mich nicht bemerkt. Leider kein Glück. Sie winkt mich zu sich und stellt mir Oliver vor. Er ist perfekt. Selbst die Speckfalten an seinen dicken Knien sind perfekt.
»Glückwunsch«, sage ich und verschlucke mich an dem Wort. Ich freue mich aufrichtig
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