Torschlussmami: Eine Frau auf der Suche nach dem großen Babyglück (German Edition)
unangemessen als Antwort auf eine solch monumentale Entscheidung, dabei liegt mir so viel auf der Zunge. Ich möchte anerkennen, welch großer Schritt es sein muss, dass Chris seine feste Überzeugung aufgibt. Ich möchte ihm sagen, wie sehr ich ihn für seine Aufgeschlossenheit liebe, seinen Pragmatismus und seinen Wunsch, ein Kind mit mir zu haben. Und ich möchte ihn am liebsten schütteln und ihn fragen, warum ich alle diese verdammten Pillen schlucken musste, wenn wir uns zum Schluss doch für eine verdammte IVF entscheiden. Zum Glück ist Dr. Lucy da und hält mich davon ab, irgendetwas davon tatsächlich zu tun.
Sofort überkommt mich eine Woge der Erleichterung. Ich bin erleichtert, weil wir endlich etwas unternehmen und die Monate des hoffnungslosen Auf-der-Stelle-Tretens beenden, in denen wir auf ein Wunder warteten. Ich bin auch erleichtert, dass Schluss ist mit dem Sex nach Kalender. Zu meiner Bestürzung rät mir Dr. Lucy jedoch, die Tabletten für eine bessere Eizellenqualität, von denen mir immer übel wird, weiterzunehmen. Die gute Nachricht lautet, dass mit meiner Gebärmutter alles okay ist, sodass unsere einzige Herausforderung darin bestehen wird, ein einziges anständiges Ei zu erwischen. Aufgrund meines Alters und meiner Eizellenprobleme schätzt Dr. Lucy unsere Erfolgsquote auf 23 Prozent. Das ist nicht berauschend, aber besser als bei vielen anderen Frauen. Scheinbar kann Akupunktur unsere Erfolgsaussichten verbessern. Eine Studie, die 2008 im British Medical Journal veröffentlicht wurde, stellte fest, dass Akupunktur die Erfolgsrate einer künstlichen Befruchtung bis auf 65 Prozent erhöhen kann.
»Wir dachten zuerst alle, die spinnen«, sagt Dr. Lucy. »Aber die Forscher konnten ihre Behauptung belegen. Also mussten wir uns der Sache öffnen.«
Chris, der monatelang aus Angst, sein kostbares Sperma zu vergeuden, nicht masturbieren durfte, erhält nun die von Dr. Lucy unterschriebene Erlaubnis dafür – und einen kleinen Becher. Es ist wahrscheinlich das erste und letzte Mal, dass er von einem Arzt dazu aufgefordert wird, sich einen runterzuholen.
»Sie müssen eine Probe in einem der Labors abgeben, die hinten auf der Überweisung stehen«, sagt Dr. Lucy. Wir erzählen ihr, dass Chris bereits einen Spermatest zu Hause gemacht hat, aber aus irgendeinem Grund möchte Dr. Lucy die Anzahl und die Qualität von Chris’ Spermien mit ihrem eigenen Test überprüfen.
Chris lässt sich einen Onaniertermin geben und taucht am nächsten Tag zur verabredeten Zeit in der Klinik auf. Dort wird er in einen kleinen Raum mit einer roten Vinylcouch, einem Stapel Zeitschriften, die gerade noch so durch die Zensur gehen, und einem Fernseher, auf dem harte Pornos in einer Endlosschleife laufen, geschickt. Chris schnappt sich die Fernbedienung und schaltet auf ein anderes Programm. Noch mehr Pornos. Ihm fällt ein, dass heute die Papstpredigt auf dem Weltjugendtag von einem unverschlüsselten Sender live übertragen wird. Während der Papst den Gläubigen also seine frohe Botschaft verkündet, ist Chris damit beschäftigt, eine Frau in einem im Schritt offenen String zu beobachten, die einem Kerl einen bläst. Dabei fragt er sich, wie viele Gegrüßest seist du, Maria er dafür aufgebrummt bekommt, bevor er sich auf die Schutzmatte über der Couch setzt und sich an die Arbeit macht.
Ein paar Tage später kommt ein Päckchen von der IVF -Klinik. Es enthält eine Mappe voller Hochglanzbroschüren und eine Preisliste. So gibt es einen Festpreis für einen Standard- IVF -Zyklus, in welchem der Frau Eizellen entnommen und in einer Petrischale befruchtet werden, bevor einer der Embryonen wieder eingesetzt wird. Oder man legt ein bisschen Geld drauf, und die Spermien werden in die Eizellen gespritzt, statt dass man sich auf ihre Navigationsfähigkeiten verlässt, und es kostet noch mal extra, wenn man eine Präimplantationsdiagnostik machen lassen möchte. Man hat sogar die Möglichkeit, die Eizellen in einer von tibetischen Mönchen handgeschnitzten Petrischale befruchten zu lassen, eingerieben mit seltenen und exotischen Pflanzenölen, die früher von den Mayas verwendet wurden. Na schön, das Letzte habe ich erfunden.
Trotzdem gibt es einen Berg von Zusatzoptionen auf der Liste, die ich nicht verstehe. Kurz gesagt, die Liste ist so wie jene, die man in Wellnessbädern sieht, mit einer unendlichen Auswahl an Leistungen und Behandlungen. Bloß dass es hier nicht darum geht, sich zwischen einem Salzpeeling
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