Torschlussmami: Eine Frau auf der Suche nach dem großen Babyglück (German Edition)
und einer Hot-Stone-Massage zu entscheiden, sondern darum, ein Kind zu bekommen. Ich breche in Tränen aus, als ich die Preisliste studiere. So soll es nicht sein! Ein Kind zu zeugen ist normalerweise ein intimer und heiliger Vorgang und kein krasser Kommerz.
In dem Umschlag steckt auch eine Einladung zu einer einführenden Gruppenberatung über die IVF -Therapie. Eine Gruppenberatung! Der nächste Schlag ins Gesicht, der mich daran erinnern soll, dass unser Kinderwunsch nicht länger eine Angelegenheit zwischen Chris und mir ist. Es heißt, es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen. Seit wann ist das Dorf auch an dem Zeugungsakt beteiligt?
Zwei Tage vor dem Beratungstermin spüre ich vor Nervosität einen Knoten im Magen, der noch größer wird, als wir die IVF -Klinik betreten. Ich versuche, meine Nerven zu beruhigen, indem ich mir sage, dass eine künstliche Befruchtung nur der Ausweichplan ist. Ich habe noch einen natürlichen Ovulationszyklus, bevor wir mit der Therapie beginnen. Eine weitere Chance, um ein Baby so zu zeugen, wie es die Natur vorgesehen hat. Doch tief im Innern weiß ich, dass ich mir was vormache.
Eine quirlige junge Frau mit einem rosigen Gesicht namens Cindy dirigiert uns und drei weitere Paare in einen Konferenzraum. Ich frage mich, ob ich sie auf die Laufmasche in ihrer Strumpfhose aufmerksam machen soll. Meine Nervosität verwandelt sich rasch in Empörung, als ich feststelle, dass dieses ›Kind‹ tatsächlich unsere Beraterin ist. Cindy ist bestenfalls Mitte zwanzig. Vielleicht auch erst Anfang zwanzig. Frisch von der Universität. Hat wahrscheinlich nie einen Gedanken ans Kinderkriegen verschwendet! Was weiß die schon von ergebnislosem Sex nach Plan und dem seelischen Kummer bei Unfruchtbarkeit? Ihr Wissen kann nur theoretisch sein, und in diesem Fall hätte die Klinik ihrem Baby-Bestellkatalog auch einfach eine weitere Hochglanzbroschüre hinzufügen können und uns allen Zeit erspart. Und warum grinst diese Göre so verdammt fröhlich?
Ich lasse den Blick über die anderen Paare schweifen und frage mich, welcher der Partner kaputt ist. Beim ersten Paar diagnostiziere ich Altmännersperma. Sie ist eine Osteuropäerin Mitte zwanzig, und für ihn muss es wohl schon der zweite oder sogar dritte Anlauf sein. Das nächste Paar ist eine perfekte Erwachsenenversion der Figuren auf einer Hochzeitstorte. Er, herausgeputzt in einem maßgeschneiderten Nadelstreifenanzug, trägt eine volle, vornehm grau melierte Mähne. Sie hat glänzende Haare, einen cremigen Teint und einen wunderschönen pinkfarbenen Pashmina-Schal. Ich schätze beide auf Mitte bis Ende dreißig, also könnte jeder von ihnen der Blindgänger sein. Das dritte Paar sieht jung genug aus, um fruchtbar zu sein. Sie erinnern ein bisschen an Hippies, Sie wissen schon, die Sorte, die einen VW Bulli mit einem Delfinaufkleber an der Scheibe fährt. Ich schließe daraus, dass er wahrscheinlich durch das viele Kiffen seine kleinen Jungs beschädigt hat.
Es mag Sie überraschen, aber mein voreiliges und völlig unbegründetes Klischeedenken entpuppt sich als ein großer Irrtum, zumindest, was das Hippie-Pärchen betrifft. Beide sind Träger von Mukoviszidose und interessieren sich für die IVF , um ihre Embryonen untersuchen zu lassen. Sind beide Eltern Träger des defekten Gens, so besteht eine Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent, dass auch das Kind an Mukoviszidose erkrankt. Über ihren Drogenkonsum wird nicht gesprochen.
Die anderen beiden Paare geben nichts Persönliches preis, genauso wenig wie Chris und ich. Als die Praktikant… ich meine, als Cindy mich fragt, ob ich etwas über mich erzählen möchte, sage ich Nein. Sie leitet rasch zu der Frage über, wie jeder von uns das Prozedere seelisch bewältigen wird. Anscheinend werde ich viel weinen (Haken dahinter) und das Bedürfnis haben, endlos darüber zu reden. Chris wird sich schweigend in seine Höhle zurückziehen und viel Golf spielen. Chris beugt sich zu mir herüber und flüstert: »Heißt das, ich muss mir einen Satz Golfschläger kaufen, damit es funktioniert?«
Nachdem die groben Details geklärt sind, fahren wir mit den rechtlichen Bestimmungen des Verfahrens fort. Bevor wir mit der IVF beginnen können, müssen wir uns als Paar einig sein, was mit den Eizellen, Spermien und Embryonen passiert, die eventuell übrig bleiben, falls wir uns trennen sollten oder einer von uns stirbt oder beide sterben oder wir sie einfach nicht mehr verwenden möchten. Wir
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