Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
Vom Netzwerk:
kamen an einer Bar vorbei, einem einfach gemauerten Quadrat mit einem umlaufenden Tresen aus schwarzem, unpoliertem Granit. Dann betraten sie einen der schwarzen Stofftunnel und fanden sich plötzlich in einem flacheren Nebengebäude. »Lab-Oratory« hatte jemand in großen schwarzen Buchstaben auf die Betonwand vor ihnen gesprüht und einen dicken Pfeil nach rechts daneben gemalt. Sie folgten ihm. Nach zwei weiteren Abzweigungen blieb der Polizist plötzlich stehen und deutete nach rechts in eine Nische. Ein Mann trat ihnen entgegen. Er hatte ein Taschentuch vor die Nase gepresst. Er wischte sich das Gesicht, musterte die Gruppe kurz und sagte dann unsicher:
    »Sind Sie die Detectives?«
    »Ich bin Hauptkommissar Zollanger«, sagte Zollanger. »Das sind meine Kollegen, Frau Haas, die Herren Krawczik, Brenner, Findeisen und Brodt. Wer sind Sie, bitte?«
    »Naeve«, antwortete er. »Desmond Naeve. Ich bin die Pächter von diese Club.«
    Der britische Akzent war überdeutlich, aber der Mann sprach passables Deutsch.
    »Was ist hier passiert?«
    »Ein schlechter Scherz, glaube ich. Jemand hat ein totes Tier dort unten deponiert. Ein Tier mit … I don’t know. Sie müssen sich das selbst anschauen.«
    »Wer hat das Tier gefunden?«, fragte Zollanger.
    »Die Putzfrau. Vor etwa einer Stunde. Es gibt da unten eine Kammer, wo Putzgerät und so was aufbewahrt wird. Dort lag es.«
    »Und warum liegt es jetzt nicht mehr dort? Wer hat es herausgeholt?«
    »Die Putzfrau. Es war im Weg. Sie dachte, es sei ein Kostüm.«
    »Ein Kostüm?«
    »Ja. Das hier ist ein Club. Wir machen hier Themenpartys.«
    »Ist die Putzfrau noch hier?«
    »Sie hat einen Schock. Der policeman hat sie nach Hause geschickt. Aber wir haben natürlich ihre Adresse. Sie kann allerdings kaum Deutsch.«
    Zollanger ging in die Nische hinein. Sofort schlug ihm scharfer Uringestank entgegen. Der Durchgang war zu schmal für mehrere Personen. Aber nach etwa zwei Metern mündete er in einen vielleicht sechs mal sechs Meter großen Raum. Was für ein Ort war dies nur?
    »Irre ich mich, oder ist das ein Pissoir?«, fragte er Sina, die neben ihn getreten war, den Blick auf ein grün gestrichenes Metallhäuschen vor ihnen gerichtet.
    »Sieht so aus«, erwiderte sie und trat zur Seite, um die anderen durchzulassen. Erst jetzt sah Zollanger, dass unter dem Metallhäuschen noch ein Raum existierte, der über eine Wendeltreppe zugänglich war. Ein Lichtschimmer drang von dort zu ihnen herauf. Der Boden des Metallhäuschens bestand aus einem Metallrost. Aber was lag dort unten? Täuschten ihn seine Augen, oder sah er wirklich, was er da sah?
    »Hat jemand Geruchsmasken dabei?«, fragte er, während er Gummihandschuhe und Plastiküberschuhe anzog.
    »Die hat Weyrich«, antwortete Harald Findeisen. »Sollen wir auf ihn warten?«
    »Nein«, sagte Zollanger. »Ich gehe jetzt erst einmal mit Sina da hinunter, und wir besichtigen das kurz. Ihr geht wieder raus in den Gang. Es ist zu eng hier. Und wir müssen ja nicht alle in diesem Gestank herumstehen. Udo, dieser Mister Naeve soll in sein Büro gehen und dort auf mich warten. Wenn Weyrich da ist, dann schickt ihn sofort her. Komm, Sina.«
    War die Atmosphäre des Ortes daran schuld? Oder der erste flüchtige Blick auf dieses Ding da unten? Wenn seine Augen ihn nicht trogen, war es nicht weniger entsetzlich und rätselhaft als das Ding in Lichtenberg. Etwas Krankes, Abartiges war hier geschehen. Und er hatte keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte. Auch deshalb wollte er, dass Sina es sich zuerst anschaute. Genau so, wie man es gefunden hatte. Denn das war ihr Gebiet.
    Wo um alles in der Welt waren sie hier bloß? Offenbar in einer alten Fabrik, die jemand zu einer riesigen Diskothek umfunktioniert hatte. Aber was hatte ein schmiedeeisernes Parkpissoir in dieser Ecke hier verloren? Hatte man früher in Fabriken solche Toiletten gebaut? Oder war das irgendeine durch Materialknappheit diktierte improvisierte Lösung aus der Nachkriegszeit? In DDR -Fabriken hatte es derartige Pissoirs nicht gegeben. Das wusste er. Außerdem befanden sich in dem Toilettenhäuschen überhaupt keine Toiletten oder Wände, gegen die man hätte pinkeln können. Nur die äußere Struktur war vorhanden. Sowie ein Metallgitterboden. Und darunter ein kahler Raum, in dem es so bestialisch stank, dass die Geruchsmasken vermutlich nicht besonders viel nützen würden.
    Jemand hatte eine Taschenlampe hiergelassen. Sie lag auf der vorletzten Treppenstufe und

Weitere Kostenlose Bücher