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Torso

Torso

Titel: Torso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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Tasse Wasser in die Mikrowelle und öffnete drei Schubladen, bis er irgendwo einen Teebeutel fand. Elin hatte eigentlich auf frische Pfefferminze gehofft. War das in türkischen Gaststätten nicht Standard? Aber Cemals Dönerbude war ziemlich neu. Vielleicht war es deshalb so leer hier. Konkurrenzdruck. Cemal hätte besser auf Eric gehört und mit ihm einen Telefonladen anstatt einer Dönerbude aufgemacht, von denen es in Berlin ohnehin schon wimmelte. So hatte ihr das Eric jedenfalls bei seinem letzten Besuch in Hamburg erklärt. Internettelefonläden schössen zwar auch wie Pilze aus dem Boden, aber der Markt sei vielversprechend neu und unübersichtlich. Kein Mensch hätte einen Durchblick bei den ständig sich ändernden Telefontarifen. Doch der letzte Penner wisse, dass ein Döner höchstens zwei oder drei Euro kosten durfte. Außerdem gäbe es zu viele Ausweichprodukte. Zweimal Fritten mache einmal Döner, so etwa laufe die Gleichung. Und irgendwo dazwischen Currywurst. Und dass die Sache ohne Cemal nicht funktionieren würde, weil Türken eben nur bei Türken kauften. Imbiss sei hoffnungslos. Aber Ferngespräche übers Internet, das sei interessant. Und Cemal hätte sich ja um gar nichts Technisches kümmern brauchen, nur vorne sitzen und auf Knöpfe drücken. Anstatt Dönerspieße zu rasieren.
    Aber Cemal hatte sich das nicht zugetraut. Und deshalb stand er jetzt hier. Und Eric? Elin schloss kurz die Augen und wartete, bis der Stich in ihrem Magen nachgelassen hatte. Immerhin wollte er ihr helfen. Aus schlechtem Gewissen? Aus levantinischem Freundschaftsethos? Oder wohl eher, weil er dachte, dass sie schleunigst nach Hamburg zurückkehren und die ganze Sache ruhen lassen sollte?
    Cemal stellte ein kleines Tablett mit der Tasse Tee vor sie hin, blieb einen Augenblick unschlüssig stehen und setzte sich dann ebenfalls.
    »Wie läuft es denn so?«, fragte sie und nippte an der Tasse.
    »Schlecht. Aber so ist das immer am Anfang.«
    »Ist Nuran nicht hier?«
    »Sie kommt erst abends, wenn Yesmin im Bett ist. Dann ist hier mehr los. Das bisschen bis dahin schaffe ich alleine.«
    Elin trank schweigend ihren Tee. Gut, dass Cemals Frau nicht hier war. Sie war ihr letzte Woche das erste Mal begegnet, und es hatte nur wenige Minuten gedauert, bis klar war, dass Nuran nichts mit ihr zu tun haben wollte. Elin hatte die kleine Yesmin auf den Arm genommen. Das Kind hatte neugierig ihr Bindi berührt. Nuran war herbeigeeilt, hatte das Kind sofort zu sich genommen und aus dem Zimmer gebracht.
    »Ich habe diesen Bullen noch immer nicht sprechen können«, sagte Elin. »Er hat mich versetzt.«
    »Die mögen das nicht, wenn man sie so nennt. Vielleicht liegt’s daran?«
    »Wie soll ich sie sonst nennen?«
    »Na vielleicht … dein Freund und Helfer?«
    Elin richtete sich auf, lehnte sich ein wenig zurück und musterte Cemal. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Das Spöttische darin war einer leichten Verlegenheit gewichen.
    »Ist doch nur so eine deutsche Redensart. Ich meine … vielleicht sehen wir ja Gespenster. Kann doch sein, oder?«
    Elin schob ihre Teetasse von sich weg. Es war natürlich Nuran, die da sprach. Nuran, die auf jede Frau eifersüchtig war, die auch nur in die Nähe von Cemal kam. Nuran, die nicht wollte, dass ihr Mann mit der Schwester eines Geschäftspartners redete, der sich angeblich erhängt hatte. Eines Geschäftspartners, der nicht einmal Türke war.
    »Ich erwarte nicht von dir, dass du mir irgendetwas glaubst«, sagte Elin. »Ich bitte dich nur um einen Gefallen, Eric zuliebe. Das ist alles.«
    »Ja, schon, ich weiß«, sagte Cemal. »Aber Tatsache ist, dass du Dinge tust, die nicht erlaubt sind.«
    »Ach ja, was denn?«
    »Die Polizei hat doch alles genau untersucht. Und wenn die Polizei sagt, dass Eric sich das Leben genommen hat, und du nun hingehst und sagst, das sei nicht wahr, dann ist das … dann ist das …«
    »Was ist das? Widerstand gegen die Staatsgewalt?«
    »Nein. Aber du missachtest die Behörden.«
    »Was für eine geisteskranke Logik ist das denn. Machen Behörden vielleicht keine Fehler?«
    »Doch. Schon. Aber dann ist es Sache einer anderen Behörde, das zu überprüfen. Es kann doch nicht jeder Bürger einfach losziehen und irgendwelche Vorfälle untersuchen, von denen er glaubt, dass etwas mit ihnen nicht stimmt.«
    »Sagt Nuran.«
    »Meinetwegen. Sagt auch Nuran. Aber ich sage es auch. Vielleicht sollten wir das alles einfach lieber sein lassen.«
    »Was alles?

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