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Torstraße 1

Torstraße 1

Titel: Torstraße 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybil Volks
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Wilhelm und von Elisa.
    Franz sagt, er solle sich die Elisa schnappen und festhalten. »In unserem Alter ist das auch nicht mehr so einfach mit den Frauen. Wenn du keine hast, solltest du zusehen, dass du eine findest. Und Karla ist lange genug tot.«
    Franz kann grob sein, das kennt Bernhard, und es macht ihm nichts aus. Vielleicht hat er gerade deshalb Vertrauen zu Franz gefasst, weil der es ehrlich meint, und hat ihm schon mehr erzählt als manch anderem. Nur von der Nacht im Katalograum, der Nacht mit Elsa, weiß Franz genauso wenig wie irgendjemand sonst.
    »In unserem Alter ist man auch nicht mehr von der schnellen Sorte«, gibt er zurück.
    Franz nickt. »My home is my castle«, sagt er und lächelt schief. »Ich musste einen Englischkurs besuchen. Hat mir die Partei aufgedrückt, damit ich mit den Genossen aus dem Kommon Wels reden kann. Dafür bin ich auch zu alt. Russisch muss reichen. Am Ende habe ich mir nur die ganzen Sprüche gemerkt. To be or not to be. Aber deine Elisa, die wird dich jung halten.«
    Manchmal mehr, als mir lieb ist, denkt Bernhard. Elisa Wiedemann hat Temperament. Scheint am Vornamen zu liegen, die Elisas und Elsas dieser Welt lassen sich nicht die Butter vom Brot nehmen. Er erzählt Franz die Geschichte, wie sie zwei Monate zuvor auf der Autobahn nach Leipzig angehalten worden sind. Elisa war zu schnell gefahren. »Mit einem Trabi zu schnell gefahren, das muss man sich mal vorstellen. Da haben sie unsrausgewunken, zwei Polizisten, und nach den Papieren gefragt. Und Elisa holt die Papiere aus der Handtasche und fragt die beiden, wer von ihnen lesen kann.« Franz lacht schallend, und auch Bernhard muss grinsen, obwohl die Geschichte ein bitteres Ende genommen hat. »Der eine Polizist nimmt also Elisas Fahrerlaubnis, klappt sie auf, holt seinen Stempel und das Stempelkissen aus der Tasche und sagt: ›HIER WIRD NICHT GERAST.‹ Und bei jedem Wort knallt er ihr einen Stempel in die Flebben.«
    Franz ist beeindruckt. »Vier Stempel? Da kann sie ja von Glück reden, dass der Polizist keinen Fünfwortsatz zusammengekriegt hat. Sonst wäre sie die Fahrerlaubnis los.«
    Mit dieser Geschichte trennen sie sich. Bernhard geht zurück in die Bibliothek und Franz an seinen Schreibtisch. Irgendwie ist es doch noch ein guter Tag geworden.
    Am Freitag ist es so weit. Er fährt nach der Arbeit ins Altenheim und holt Wilhelm zu sich. Als er ins Heim kommt, will die Leiterin mit ihm sprechen und erklärt, es könne ihrer Meinung nach sehr wohl passieren, dass Wilhelm Glaser sich wieder besser fühlt, wenn er bei seinem Sohn ist. Eine Garantie gebe es dafür nicht, aber sie findet gut, dass Bernhard es probieren will. Endlich mal eine, die mich unterstützt, denkt er und ist der Frau, die noch sehr jung aussieht, dankbar.
    Er geht in das Zimmer des Vaters und scheut wie jedes Mal vor dem Geruch zurück, obwohl er ihn inzwischen kennen sollte. Den Geruch nach alten Männern, Exkrementen und Reinigungsmitteln. Als er Wilhelm umarmt, atmet er tief ein, um herauszubekommen, ob auch sein Vater so riecht oder ob nur der Zimmergenosse die unangenehmen Düfte verströmt. Wilhelm riecht auch nach altem Mann, aber nach Wilhelm, Seife und Rasierwasser. Das erleichtert ihn, wenigstens darum wird er sich nicht kümmern müssen zu Hause, dass der Vater sich wäscht und rasiert. Er packt mit Wilhelm zusammen eine Wochenendtasche.
    »Nur das Nötigste«, sagt Wilhelm. »Wir wollen ja erst üben, ob es geht.«
    Dabei sieht er ängstlich aus, und Bernhard denkt: Was das Altwerden so mit einem macht. Vielleicht sollte man da gar nicht erst hinkommen. Und wer weiß, ob es ihn mit seinem Herzklabaster nicht vorher aus den Reihen nimmt. Davon weiß Wilhelm nichts, dass sein Sohn schon mit fünfzig einen Herzklabaster hat und solche Gedanken.
    Zu Hause zeigt er Wilhelm das Zimmer, das er provisorisch für ihn hergerichtet hat. Eigentlich sein Arbeitszimmer, aber das tut jetzt erst mal nichts zur Sache. Ein wenig gebeugt und grauhaarig steht Wilhelm neben ihm am Fenster, nichts deutet darauf hin, dass er verwirrt ist. Aber krank wirkt er trotzdem. Bernhard fragt, ob er einen Kaffee oder lieber ein Bier möchte.
    »Na, wenn du mich so fragst, ein Bier. Gehen wir nachher ein bisschen laufen?«
    Bernhard weiß, worauf dieses Laufen hinausläuft. Wilhelm will mit ihm zum Haus, zum Institut. Soll er haben, sie müssen die Zeit überlisten. Er kann den Vater ja nicht den ganzen Tag hier im Zimmer sitzen lassen. Im Grunde seines

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