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Torstraße 1

Torstraße 1

Titel: Torstraße 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybil Volks
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darüber zu sprechen. Wenn die wüsste, wohin sie heute Abend mit Elsie gehen wird …
    »Komm rein!« Elsie winkt sie zu sich, sie steht hinter dem Verkaufstresen der Herrenkonfektion im Kaufhaus des Westens.Oder besser gesagt im traurigen Provisorium des einst prächtigsten Kaufhauses von Berlin. Elsa hat es nie gemocht, aus Verbundenheit zu ihrem Jonass, dem Kaufhaus des Ostens. Dann war das KaDeWe nur noch Ruine, während das Jonass, das echte Jonass an der Lothringer Straße, noch stand. Vor Kriegsende war es sogar kurze Zeit wieder Kaufhaus gewesen, bevor es von den Sowjets verstaatlicht und zum »Haus der Einheit« umfunktioniert wurde …
    »Elsa, wovon träumst du wieder?«
    Elsa lächelt ihre Patin verlegen an. »Von unserem Haus. Dem Jonass. Vermisst du es nicht?«
    Elsie schließt die Kasse und räumt ihre Sachen zusammen. »Ich freue mich darauf, wenn wir aus diesem Verschlag hier rauskommen und das neue alte KaDeWe wieder öffnet. Prächtiger als je zuvor. Da wollte ich immer schon arbeiten. Frag deine Mutter.«
    Gerade an die will Elsa jetzt lieber nicht denken. Sie senkt den Kopf. »Mama glaubt, wir gehen ins Kino. Und dass ich dann bei dir übernachte, weil keine Bahn mehr fährt.«
    Elsie dreht Elsa hin und her. »Tust du ja auch. Weißt du, ich seh da nur ein Problem.« Elsa schaut sie fragend an. »Du hast eine Laufmasche. Und neue Nylons gibt es erst … hinterher.« Sie lacht, als sie Elsas erschrockenes Gesicht sieht. »War nur ein Scherz, Süße. Aber im Ernst, das Leben besteht nicht nur aus Anstehen um Brot. Das sollte auch Vicky wissen. Gerade Vicky.«
    Gleich neben dem provisorischen KaDeWe in der Nürnberger Straße liegt die Bar. »Femina« steht über dem Eingang.
    »So fällt man von einem Arbeitsplatz in den nächsten«, lacht Elsie. Die beiden Türsteher scheinen sie zu kennen und wollen nicht, wie von manchen anderen Gästen, erst Papiere sehen. Elsa nehmen sie genauer in Augenschein. »Das ist meine Nichte«, sagt Elsie. »Von Kopf bis Fuß entnazifiziert und auch sonst ledig und frei von jeder Seuche.«
    Elsa wird heiß im Gesicht. Sie würde am liebsten umdrehen. Nach Hause.
    »Großjährig?«, schnauzt der Türsteher.
    Elsie lacht kokett. »Oh, schon ein Weilchen. Aber danke für das Kompliment.«
    »Nicht Sie!«
    Der andere Türsteher fasst den Kollegen am Ärmel. »Lass man.« Er winkt sie durch.
    Sie steigen die Treppe in das Kellergewölbe hinab und betreten einen großen Raum, von dem mehrere gemauerte Nischen abgehen. Es sind schon einige Tische besetzt, Stimmen und Musik erfüllen das Gewölbe. Elsie wird hier und da begrüßt, nickt oder bleibt kurz stehen, um zu plaudern. »This is my niece … little Elsie.« Die Männer in Uniform lachen. Elsa ist froh, als sie sich an einem Tisch in einer der Nischen niederlassen, zündet eine Zigarette an und schaut sich um. Manche der unverputzten Ziegelwände sind mit Wandteppichen behängt, auf denen sich halb nackte Wesen tummeln. Verzierte Säulen wachsen neben rostigen Rohren aus dem Boden. Wenn man an einem der Räder drehte, würde sicher Dampf aus dem Rohr zischen. Zu gern würde sie jetzt zeichnen, die Räume, die Menschen ringsum an den Tischen, aber das wäre zu auffällig. Sie wird später aus dem Gedächtnis ein paar Skizzen machen.
    Die Kronleuchter mit elektrischen Glühbirnen baumeln schief von der Decke. Überhaupt kommen ihr der Boden und das ganze Gewölbe schief vor. Vielleicht ist der Keller einsturzgefährdet. Am Alkohol kann es nicht liegen, sie hält sich noch immer am ersten Glas fest. Ihr ist flau im Magen, ihre Essensmarken hat sie gegen Geld getauscht für dieses eine Glas Sekt.
    »Früher haben hier Russen und Amis einträchtig getrunken und getanzt«, sagt Elsie, »heute sind fast nur noch GIs da.« Sie klopft ihre Selbstgedrehte auf der Tischplatte fest. »Ich vermisse die Russen nicht.«
    Auf der Bühne spielt eine Band, die Musik klingt ähnlich wie Vickys alte verbotene Platten. Die verstauben jetzt in ihrer Wohnung, obwohl Vicky das Grammofon mitgenommen und dafür nützlichere Dinge zurückgelassen hat. Ein GI steuert ihren Tisch an. Elsa sieht ihn zuerst im Spiegel an der Wand gegenüber.
    »Bleib bei mir«, flüstert sie.
    Elsie lacht. »Der will mit dir tanzen, nicht mit mir alter Schachtel.« Dann legt sie ihr die Hand auf den Arm. »Du tust hier nur, was du willst, okay? Nur was du willst! Und ich versprech dir, ich pass auf dich auf.«
    Elsa zieht ihren Arm weg. Elsies Silberarmband ist so

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