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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hornfeck
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Einwanderungsbehörden der von Herrn Finkelstein angefragten Länder reagieren würden. Falls grünes Licht für die Ausreise käme, würde womöglich alles ganz schnell gehen.
    Da es vom Kindergarten nicht weit bis in die Bubbling Well Road war, sah sie Sanmao jetzt wieder häufiger. Sie hatten den verwilderten Hatong-Park, der den japanischen Truppen zeitweilig als Hauptquartier und Lagerplatz gedient hatte, für sich zurückerobert. Nicht so sehr für Kungfu-Übungen, sondern für ungestörte Spaziergänge.
    »Lass uns ’ne Runde im Park drehen, Sanmao«, schlug Inge eines Nachmittags vor. »Ich muss mit dir reden.«
    »Gehen wir zu unserem Stein, da können wir uns hinsetzen«, schlug Sanmao vor, nachdem sie durch ihr übliches Schlupfloch gestiegen waren. Er meinte damit den zweisprachigen Gedenkstein, den Silas Hardoon für seine Frau hatte errichten lassen. Auf der halbrunden Treppe, die zu dem Denkmal führte, ließen sie sich nieder. Sanmao sah sie erwartungsvoll an.
    »Meine Eltern haben die Ausreise beantragt.«
    Inge ließ die Nachricht wie eine reife Frucht vor ihn ins Gras plumpsen.
    »Das habe ich befürchtet«, murmelte er und nach längerer Pause: »Wohin?«
    »In die Staaten, nach Kanada und Australien. Letzteres ist am wahrscheinlichsten, weil wir keine Verwandtenhaben, die in den USA oder Kanada für uns bürgen können. Aber ich will da nicht hin.«
    »Kann ich verstehen.«
    »Am liebsten würde ich hierbleiben. Ich fühl mich hier zu Hause.«
    »Schön, dass du das sagst, Inge«, entgegnete Sanmao ernst, fast ein wenig feierlich. »Du bist ja auch zu Hause bei uns, du gehörst zur Familie.« Jetzt war Sanmao ganz Chinese   – stolz auf seine Heimat und sein Heim, das er anderen mit selbstverständlicher Gastfreundschaft öffnete. Aber er war noch nicht zu Ende. »Trotzdem wirst du hier immer Ausländerin bleiben und damit eine Außenseiterin sein, ein
wàiguórén
oder
nakoning
, jedenfalls eine Fremde, der man ihr Fremdsein sofort ansieht.«
    »Damit konnte ich bisher gut leben.«
    »Na ja, da war Ausnahmezustand, wir hatten Krieg. Aber im normalen Leben können einen Chinesen das ganz schön spüren lassen. Glaub mir, ich hab da Erfahrung.« Jetzt kam Sanmaos deutsche Seite zutage, das Grüblerische an ihm und die Zweifel, wo er eigentlich hingehörte, aber auch die Verantwortung, die er für Inge und ihre Zukunft empfand.
    »Aber du bist doch in der glücklichen Lage, dass du beides bist, Ausländer und Einheimischer.«
    »Täusch dich da nicht. In deren Augen bin ich ein
sìbúxiàng
, ein ›viermal nicht gleich‹.«
    »Ist das so was wie ein Qilin?« Dieses chinesische Mischwesen kannte sie von Ina, die eines als Jadeanhänger getragen hatte.
    »So ähnlich, aber ohne die positive Bedeutung. Mehr im Sinne von: Nicht Fisch, nicht Fleisch.«
    »Ich dachte immer, es ist eine Bereicherung, wenn man alles doppelt hat: zwei Sprachen, zwei Kulturen.«
    »So kann man’s auch sehen. Aber wenn einem das ins Gesicht geschrieben ist, so wie mir, dann sehen es die Leute eher als Mangel, als Weder-noch, nichts Halbes und nichts Ganzes.«
    Am liebsten hätte Inge ihm jetzt gesagt, dass sie sein Gesicht für das Beste hielt, was zwei Völker miteinander hervorbringen konnten, doch dann fiel ihr das Gespräch mit Frühlingserwachen ein. Lieber nicht mit der Tür ins Haus fallen. Stattdessen suchte sie nach etwas, das sie beide verband.
    »Laut deutschen Rassegesetzen bin ich auch ein Mischling   – ersten Grades sogar, wenn du’s genau wissen willst.«
    »Mag sein, aber die gelten ja zum Glück nicht mehr, und außerdem hat man dir das nie angesehen. In meinen Augen bist du ein ganz und gar deutsches Mädchen.«
    »Na danke, das fehlte gerade noch. Kannst du dir nicht vorstellen, dass ich mit diesem Volk meine Probleme habe? Da gehöre ich jedenfalls nicht mehr hin. Aber zu den Kängurus auch nicht!«
    Nach dieser heftigen Reaktion blieb es eine Weile still. Dann unternahm Sanmao in seiner bedächtigen Art einen neuen Anlauf.
    »Inge, versteh mich richtig. Ich will dich ja nicht davon abhalten, hierzubleiben. Ganz im Gegenteil, das musst du mir glauben.«
    Inge glaubte ihm das nur zu gern. Gleichzeitig rechnete sie es Sanmao hoch an, dass er über seine eigenenschmerzlichen Erfahrungen mit ihr sprach. Männern, das wusste Inge, fiel so etwas nicht leicht, noch dazu, wenn sie chinesisch erzogene Halbdrachen waren.
    »Ich wollte dir nur sagen, wie sich das für mich anfühlt. Wahrscheinlich reagiert

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