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Torte mit Staebchen

Torte mit Staebchen

Titel: Torte mit Staebchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Hornfeck
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Kommunisten. Als es gegen die Japaner ging, haben siemit den Nationalisten gemeinsame Sache gemacht, aber dieser Burgfriede wird nicht lange halten.«
    »Politik ist immer. Dagegen kann man sein Leben nicht absichern, das haben wir ja gesehen. Man weiß vorher nie, was passieren wird. Erst die Nazis, dann die Japaner, irgendwann vielleicht die Kommunisten. Außerdem kann ich ja nachkommen, wenn es hier zu gefährlich wird.«
    »Haben wir unsere Tochter unbeschadet durch zwei Kriege gebracht, um sie dann in China zu verlieren?« Frau Finkelstein verstand die Welt nicht mehr. Verzweifelt schlug sie sich die Hände vors Gesicht.
    »Nun mal langsam«, lenkte der Vater ein. »Es sind schließlich noch keine Tatsachen, über die wir hier reden. Wissen denn die Fiedlers schon von ihrem Glück?«
    »Nö«, musste Inge kleinlaut zugeben.
    »Dann hat unser Familienrat immerhin erreicht, dass jeder sagen konnte, wie er sich die Zukunft vorstellt. Die organisatorischen Probleme sind eine andere Sache. Ich schlage vor, wir schlafen erst mal drüber.«
    Inge sah ihren Vater dankbar an. Sie musste jetzt unbedingt die eigenen Gedanken sortieren, das war alles so plötzlich gekommen. Mehr denn je empfand Inge die drückende Enge dieses einen Zimmers. Auch die Eltern hatten jetzt sicher manches zu bereden. Am liebsten wäre sie ausgebüxst, zu Max ins »Roof Garden«. Aber das konnte sie ihnen nicht antun, dann würde die Mutter vollends hysterisch und sähe ihre Tochter bereits im Sündensumpf dieserStadt versinken. Immerhin war es warm genug, um auf den Dachgarten zu entfliehen und ungestört von Fliegeralarm im Freien zu schlafen. Inge schloss dort oben niemals die Augen ohne die stille Hoffnung, dass Laifu sich womöglich doch noch schnurrend zu ihr gesellen würde.

Ungewisse Zukunft
    1946   – Jahr des Hunds
    狗
    Die Zukunft ließ wie immer auf sich warten. Erst mal war Alltag, und das bedeutete für Inge vor allem Schule. Seit die Amerikaner in der Stadt waren, hatten ihre Mitschülerinnen nichts anderes mehr im Kopf.
    »Gestern war ich mit soo einem süßen Boy im Kino. Er war aus Arkansas. Fragt mich nicht, wo das liegt.«
    »Meiner hat mich in die ›New World‹ zum Tanzen ausgeführt. Anschließend hat er mich in der Rikscha heimgebracht. Wir haben Händchen gehalten   – really cute!«
    In den Pausen standen sie kichernd beieinander und verglichen die Dienstgrade ihrer Eroberungen.
    Blöde Zicken!, dachte Inge, die da nicht mitreden konnte, weil sie ja angeblich mit einem Jungen aus dem Ghetto »ging«. Sie war mit Max im »Roof Garden« gesichtet worden, wie sie eng mit ihm tanzte. Derzeit galt es als äußerst unschick, einen solchen Freund zu haben.
    Klar, dass ich wieder mal falsch liege, stellte Inge trocken fest. Erst war ich ihnen zu wenig jüdisch, jetzt bin ich nicht amerikanisch genug, und dann behaupten sie auch noch, ich geh mit einem Juden. Sie hattelängst aufgegeben, es ihren affigen Schulkameradinnen recht machen zu wollen.
    An Angeboten von feschen Matrosen mangelte es ihr nicht, aber irgendetwas hielt sie davon ab, mit diesen lauten, prahlerischen jungen Männern auszugehen, die es nach überstandenem Kriegseinsatz so richtig »krachen« ließen. Insgeheim nahm sie ihnen wohl immer noch übel, dass sie Laifu vertrieben hatten.
    Auch für die Jungs gab es offenbar nichts Erstrebenswerteres als einen Job bei den »Amis«. Max war einer der Ersten gewesen, der sich im Stützpunkt zum Fahrer hatte ausbilden lassen. Jetzt brauste er mit einem Jeep durch die Stadt, organisierte Lebensmittellieferungen und machte hie und da Geschäfte auf eigene Rechnung, kurz: Er war wieder mal völlig in seinem Element.
    Seine alte Freundin hatte er jedoch nicht vergessen. Wenn möglich, versorgte er sie mit den Luxusgütern der Stunde: Seidenstrümpfe, die sie meist an ihre Mutter weitergab, Kaugummi, Schokolade und Cola. Letzteres fand Inge überschätzt. Ihrer Meinung nach schmeckte das Zeug wie Medizin, in die man zum Zweck der Geschmacksverbesserung Zucker eingerührt hatte. Auch die amerikanischen Zigaretten rauchte sie nicht selber, sondern benutzte sie als Tauschware; in geschäftlichen Dingen war sie Max’ gelehrige Schülerin.
    Einmal konnte er den Jeep für den Nachmittag »freistellen« und machte mit ihr eine Spritztour zum Longhua Tempel. Die ummauerte buddhistische Anlage lag in den südlichen Außenbezirken. Inge hattein den acht Jahren ihres Aufenthalts die Stadtgrenzen von Schanghai niemals verlassen.

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