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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G Wachlin
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Brandwache und anschließend zur Schule, okay?«
    Ich schüttele den Kopf, denn ich bin insgesamt gegen Melanies Kontakte zu den Hausbesetzern. »Du ahnst nicht, was ich mir gestern für Sorgen um dich gemacht habe.«
    »Um mich?«
    »Ja, um dich.«
    »Weil ich mit …« Sie deutet mit den Händen Anführungszeichen an. »… Hausbesetzern verkehre?« Sie regt sich auf. »Wie antiquiert ist das denn?! Seit wann liest du die Springerpresse: BILD warnt vor bösen Punks und autonomen Chaoten – gefährlich, gefährlich –, Scheiße, worüber reden wir hier eigentlich die ganze Zeit?!«
    »Über eine Mordermittlung, Melanie! In eurem so ehrenwert besetzten Haus ist ein Mensch umgekommen, verbrannt bis zur Unkenntlichkeit.« Auch ich komme wieder in Fahrt. »Das hättest du sein können!«
    »Ich war’s aber nicht!« Melanie sieht mich wütend an. »Mensch, Vati, darum geht’s doch! Die wollen uns einschüchtern. Die wollen uns aus den Häusern raushaben, damit sie die teuer vermieten können.«
    »Diese Bruchbuden?« Ich lache auf.
    »Du hättest die vorher sehen sollen. Wir …«, und bei »wir« tippt sie sich auf die Brust, »… wir haben die Häuser doch erst wieder bewohnbar gemacht. Die standen jahrelang leer. Besser Leerstand als billiger Wohnraum, findest du das etwa gerecht?«
    Wer hat je behauptet, dass das Leben gerecht sei, denke ich.
    »Eine Sauerei ist das«, bekräftigt Melanie, »’ne totale Sauerei.«
    »Und du willst dagegen kämpfen?« Ich fasse es nicht. »Mein Spatz allein auf den Barrikaden?«
    »Ich bin nicht allein, Vati.« Melanie sieht mich ernst an. »Und wir werden immer mehr. Jede Revolution hat mal klein angefangen, sonst wäre Honecker ja auch noch an der Macht. Wir haben so viel erreicht, und diese Freiheit lassen wir uns nicht mehr nehmen.«
    Bei ihren Worten wird mir angst und bange. Das fehlte noch: Melanie als Tricoteuse der Sansculotten. Vielleicht ziehe ich doch zu Monika, damit sie diese Bude hier für sich hat. Alles besser, als bei den Hausbesetzern abzuhängen.
    »Ich kann Polzin jetzt nicht hängen lassen«, sagt Melanie entschieden, »diese Brandwachen sind ungeheuer wichtig!«
    Ich ahne, dass ich sie nicht abhalten kann. Wenn ich es ihr verbiete, geht sie trotzdem. Leidenschaft und Träumerei ist ein Privileg der Jugend. Das kann man ihr nicht nehmen.
    »Keine Drogen«, lenke ich ein.
    »Keine Drogen«, verspricht Melanie.
    »Und kein Alkohol.«
    »Na, ein Bier wird wohl drin sein, oder?« Melanie lächelt mich an.
    »Okay«, nicke ich hilflos. »Aber nur eins. Halte mich auf dem Laufenden, ja? Ich will wissen, wo du bist und was du tust. Und morgen früh bist du pünktlich in der Schule. Egal wie übernächtigt du bist.« Gesellschaftliches Engagement in allen Ehren, aber die Pflichten dürfen nicht zu kurz kommen.
    »Versprochen!« Sie umarmt mich. »Bist echt der Größte, Vati. – Ciao!«
    Sie zieht sich einen Anorak über – die ANORAK ZONE lässt grüßen – und verlässt das Haus.
    Mist, denke ich und falle wieder rücklings auf die Couch zurück.
    Es ist schon komisch. Im letzten Jahr noch wollte Melanie unbedingt nach Westberlin. Nichts war ihr wichtiger, sie hat ihre Mutter verlassen, um bei mir einzuziehen, nur weil ich im schönen Westen wohne, wo alles glitzert, bunt und teuer ist. Und nun, wo sie sieht, was sich hinter den schillernden Fassaden verbirgt, geht sie wieder in den Osten zurück. Tell me why-hy-hy-hy? Vielleicht, weil sich bei uns wirklich alles immer nur ums Geld dreht. Money makes the world go round , und spätestens nach dem Scheitern der sozialistischen Utopie ist klar, dass es bis auf Weiteres keine Alternative geben wird. Die »Autonome Republik Helmholtzplatz« ist auch nur so ein Experiment. Spätestens nach dem dritten Oktober gilt auch im Prenzlauer Berg die Berliner Linie, und dann ist Schluss mit lustig. Die Brachen im Osten sind harte Westmark wert, da ist kein Platz mehr für die Träumereien einiger Punks.
    Wir werden uns das nicht mehr nehmen lassen, hat Melanie gesagt, und bei ihren Worten wird mir ganz kalt.
    Wie weit wollt ihr gehen, denke ich und schließe die Augen. Glaubt ihr wirklich, ihr habt eine Chance? Hier geht es nicht um euch. Niemand interessiert sich für eure romantischen Phantasien. Hier geht es um sehr viel Geld. Macht und Einfluss. Die untergehende DDR ist wie ein großer Kuchen, der neu aufgeteilt wird. Alle wollen ein Stück davon haben. Wie bei einer gigantischen Tortenschlacht. Nur wird hier nicht

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